Nach dem tödlichen Unfall mit drei Toten bei Filderstadt stellte sich die Frage: Warum raste ein Mercedes-Fahrer mit über 200 km/h vor einer Polizeikontrolle davon? Jetzt ist der Fahrer identifiziert – und so manches wird erklärbar.
Stuttgart - Die waghalsige Flucht vor einer Polizeikontrolle, die in der Nacht zum Dienstag auf der B 27 bei Filderstadt mit drei Toten endete, findet langsam eine plausible Erklärung. Die Polizei konnte am Mittwoch die Identität des Fahrers klären – und der hatte offenbar allen Grund, vor der Polizei Reißaus zu nehmen. Es handelte sich um einen verurteilten und aus einer Entzugsklinik geflüchteten Räuber, der seit Monaten untergetaucht war. Ein 24-jähriger Jordanier, dem die Abschiebung drohte.
Die Fingerabdrücke des Toten haben die Kripo auf die richtige Spur geführt. Denn die sind bereits in den polizeilichen Systemen gespeichert. „Der Mann war mit einem Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen schweren Raubes zur Festnahme ausgeschrieben“, sagt Polizeisprecher Michael Schaal. Die baden-württembergischen Behörden kennen ihn wegen Urkundenfälschung: Beamte des Polizeipräsidiums Tuttlingen hatten ihn schon einmal wegen eines gefälschten Führerscheins und Ausweises angezeigt.
Das war offenbar nur die Spitze des Eisbergs. Der Mann ohne festen Wohnsitz soll unter zehn verschiedenen Personalien unterwegs gewesen sein. Zuletzt hielt er sich offenbar im Raum Villingen-Schwenningen auf – wo auch die 23-jährige Frau und ihr 26-jähriger Bekannter wohnten, die mit dem 24-Jährigen in der Nacht zum Dienstag die tödliche Spritztour unternahmen. Wie die drei zueinandergefunden hatten, ist noch unklar. Eines hat sie wohl miteinander verbunden: die Drogensucht.
Mit Tempo 182 durch die Verkehrskontrolle
Der 24-Jährige hatte zuvor besonders im Raum Neuss in Nordrhein-Westfalen seine Spuren hinterlassen – als Räuber und Dieb. „Der Mann ist im Jahr 2014 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren mit Unterbringung in einem Maßregelvollzug verurteilt worden“, sagt der Düsseldorfer Staatsanwaltssprecher Christoph Kumpa. Dazu gehörte auch eine Drogenentzugstherapie.
Der Beschuldigte war wegen fünf Fällen des schweren Raubs, wegen räuberischen Diebstahls und Einbrüchen verurteilt worden. Die Taten wurden laut Staatsanwalt Kumpa zwischen Ende 2012 und Anfang 2013 begangen. Die Drogentherapie sollte er in einer Entzugsklinik in Langenfeld im Rheinland, gut 30 Kilometer von Neuss entfernt, absolvieren. Doch im September 2015 flüchtete er. Im Februar 2016 fiel er erneut durch einen Straßenraub auf – wurde aber nie erwischt. Der junge Jordanier war zur Abschiebung vorgesehen, was er mit falschen Papieren zu vermeiden wusste.
Bis der Mann am Dienstag gegen 2 Uhr am Steuer eines Mietwagens, eines Mercedes der A-Klasse, auf der A 8 bei Leonberg in eine mobile Tempokontrolle geriet – mit Tempo 182. Erlaubt sind dort nur 120. Verfolgt von einer Polizeistreife, die ihn kontrollieren wollte, passierte er noch einen stationären Blitzer auf der A 8 mit 212 km/h. Dann war die Flucht jäh zu Ende: Auf der B 27 bei Filderstadt zerschellte der Wagen auf einem Parkplatz. Auf dem Beifahrersitz starb die 23-Jährige, die den Wagen am 18. März in Stuttgart gemietet hatte. Mit der Rückgabe des Autos war sie zwei Tage überfällig.