Seitdem Wikileaks 251.000 Geheimdepeschen veröffentlicht hat, geraten die genannten Generäle, Politiker und Journalisten in Gefahr.

Johannesburg - Die Veröffentlichung redaktionell unbearbeiteter diplomatischer US-Depeschen durch den Enthüllungsdienst Wikileaks hat jetzt in Afrika eine ganze Reihe teilweise schwerwiegender Folgen für in den Botschafterberichten erwähnte Personen ausgelöst. In Äthiopien sah sich ein als Quelle regierungskritischer Äußerungen genannter Journalist zur Flucht aus seiner Heimat gezwungen, während sich in Simbabwe zwei Generäle vor einem Militärgericht zu verantworten haben und zumindest theoretisch mit der Todesstrafe wegen Hochverrats rechnen müssen.

 

In dem südafrikanischen Unruhestaat wurde außerdem eine ganze Reihe hochrangiger Mitglieder der Zanu/PF-Partei unter Robert Mugabe kompromittiert, die nun ebenfalls mit Hochverratsprozessen vor zivilen Gerichten rechnen müssen.

Nach Problemen mit seinen Sicherheitsvorkehrungen veröffentlichte Wikileaks Ende August sämtliche 251.000 vertrauliche Depeschen die dem Internetportal in die Hände gespielt worden waren. Auf redaktionelle Eingriffe verzichtete das Netzwerk. Ursprünglich hatte Wikileaks die von US-Botschaftern aus aller Welt an ihre Zentrale in Washington gesandten Berichte einem kleinen Kreis renommierter Zeitungen zukommen lassen, die dann Maßnahmen trafen, um in den Depeschen namentlich genannte Quellen zu schützen. Die Änderung der Wikileaks-Strategie hatte damals heftige Kritik ausgelöst.

Zahlreiche Depeschen sorgen für Aufsehen

Simbabwe stellt seit Jahren einen Schwerpunkt der US-Diplomatie in Afrika dar. Dem Staat waren in den Wikileaks zugespielten Unterlagen fast 3000 Depeschen gewidmet. Darin erwähnte der einstige US-Botschafter in Simbabwe, Charles Ray, unter anderem, dass er sich wiederholt mit den beiden Generälen Fidelis Satuku und Herbert Chingono getroffen habe, die sich in den geheimen Gesprächen abwertend über den simbabwischen Armeechef General Constantine Chiwenga geäußert hätten.

Der als Lakai Mugabes geltende Armeechef sei eine "politische Besetzung mit nur geringen militärischen Kenntnissen und Erfahrung", sagten die Offiziere. US-Botschafter Ray hatte in seinen Depeschen erwähnt, dass sich die beiden Generäle mit den Treffen "großen persönlichen Risiken" ausgesetzt hätten und "strikt zu beschützen" seien.

Noch größeres Aufsehen als der Fall der Generäle erregten in Simbabwe die zahlreichen Depeschen, die sich der Debatte über die Nachfolge des 87 Jahre alten Staatspräsidenten innerhalb der regierenden Zanu/PF-Partei widmeten. Einer Depesche aus dem Jahr 2008 zufolge räumte der Chef der simbabwischen Zentralbank, Gideon Gono, gegenüber dem US-Botschafter ein, dass Parteichef Mugabe an Prostatakrebs erkrankt sei. Seine Ärzte hätten ihm sogar zum Rücktritt geraten.

Zanu/PF-Partei in der Krise

Bereits vor diesem Vorfall standen US-Botschafter offenbar in regem Austausch mit hochrangigen Vertretern der als strikt antiwestlich geltenden Regierungspartei - darunter sogar die beiden Vizepräsidenten des Landes, Joyce Mujuru und John Nkomo, sowie mehrere Minister und Ex-Minister. Die Veröffentlichung der Depeschen habe die Partei in eine tiefe Krise gestürzt, heißt es in Harare. Mugabe selbst soll mit "Schock, Zorn und Zweifel" reagiert haben.

Des zweifelhaften Titels des ersten Wikileaks-Opfers kann sich der äthiopische Journalist Argaw Ashine rühmen. Der Reporter der größten unabhängigen Tageszeitung Äthiopiens, "Addis Neger", floh bereits Mitte September aus seiner Heimat, nachdem er im Zusammenhang mit regierungskritischen Äußerungen von der äthiopischen Polizei verhört worden war.