Eine christliche Ehefrau soll für den Abfall vom Islam und für Unzucht mit dem Tod bestraft werden. Ihr Vergehen: trotz des muslimischen Vaters ist sie Christin und Gattin eines Christen.

Khartum - Daniel Wani hat noch zwei Jahre Zeit, um seine Frau zu retten. Solange wollen die sudanesischen Richter das Todesurteil gegen Meriam Yehya Ibrahim aussetzen, nachdem sie vor wenigen Tagen im Gefängnis von Omdurman ihrem zweiten Kind, einer Tochter, das Leben geschenkt hat. Die 27-jährige Ärztin und ihr 20 Monate alter Sohn sind seit Februar in diesem Stadtteil der sudanesischen Hauptstadt Khartoum eingesperrt: Nach Angaben ihres Mannes ist Ibrahim ständig angekettet, auch während der Geburt ihrer Tochter. Das Gericht wirft ihr vor, sie sei vom Islam abgefallen, sie selbst sagt, dass sie ihr Leben lang Christin war. Wegen Unzucht – Sex mit ihrem Ehemann, den die Richter nicht als Gatten anerkennen – soll sie außerdem mit hundert Peitschenhieben bestraft werden.

 

Ein Urteil, das in der ganzen Welt Entsetzen ausgelöst hat.   Am schlimmsten gehe es derzeit Martin, dem zwanzig Monate alten Sohn, berichtet Daniel Wani. Der Vater, der wegen Muskelschwunds im Rollstuhl sitzt, durfte am Tag nach der Geburt seiner Tochter die Familie im Gefängnis in Omdurman besuchen: „Martin hat sich total verändert“, erzählt Wani: „Er war so ein fröhlicher Junge. Aber dieses Mal hat er mich nur angeschaut. Nicht einmal ein Lächeln.“ Bei jedem Besuch frage ihn sein Sohn, ob er nicht mit ihm nach Hause kommen könne. Doch die Behörden verbieten das, weil sie Wani nicht als Vater anerkennen, denn der Südsudanese ist Christ, und seine Frau sollte eigentlich Muslimin sein, weil ihr leiblicher Vater Muslim war.

Sie wurde von Geburt an christlich erzogen

  Meriam Yehya Ibrahim kam vor 27 Jahren als Tochter einer christlichen Äthiopierin und eines muslimischen Sudanesen auf die Welt. Der Vater kümmerte sich nicht um das Kind, und die Mutter zog ihre Tochter nach ihrem christlichen Glauben auf. Als junge Ärztin lernt Meriam 2011 einen Südsudanesen kennen, der in den USA lebt und in Khartoum nur auf Besuch ist: „Es war eine Liebesgeschichte wie aus dem Bilderbuch“, erzählt ihr Anwalt Elshareef Ali der BBC.   Das Paar heiratet und mehr als ein Jahr später kommt das erste Kind Martin auf die Welt. Doch jemand aus der Familie ihres Vaters hat etwas gegen diese Ehe. Die Ärztin wird im August 2013 angezeigt: Die Anklage lautet auf Unzucht nach den 1983 eingeführten scharfen Scharia-Gesetzen.

Bei der Verhandlung im Februar verteidigt sich Ibrahim mit dem Argument, dass sie eine Christin sei, ihre Mutter habe sie im christlichen Glauben erzogen. Darauf setzen die Richter noch eine Anklage drauf: Ibrahim wird des Abfalls vom islamischen Glauben bezichtigt, worauf nach der sudanesischen Scharia-Interpretation die Todesstrafe steht. Die Mutter wird mit ihrem Sohn inhaftiert, denn für „Apostasie“ gibt es keine Freiheit auf Kaution. Beim Prozess im Mai geben die Richter der Angeklagten drei Tage Zeit, um sich dem Islam zuwenden. Nach Ablauf der Frist sagt Ibrahim zu den Richtern: „Ich bin Christin und bin deshalb von keinem Glauben abgefallen.“

Der Anwalt traut den Versprechungen der Regierung nicht

Westliche Vertretungen in der sudanesischen Hauptstadt reagieren empört. „Ein barbarisches Urteil“, lässt die britische Regierung wissen, Washington zeigt sich „tief verstört“ und in Kanada ist man „schockiert und angewidert“. Amnesty International ruft zu einer Unterschriftenkampagne auf: Schon in den ersten Tagen werden 700 000 Signaturen gesammelt. Der Druck auf die Regierung im Sudan scheint inzwischen erste Folgen zu zeigen. Ibrahim werde möglicherweise bereits in den kommenden Tagen freigelassen, heißt es aus dem Außenministerium. Kurze Zeit später rudert die Regierung nach AFP-Information zurück: Entsprechende Äußerungen eines Ministeriumsmitarbeiters seien aus dem Zusammenhang gerissen, hieß es.   Ibrahims Anwalt reagiert von Beginn an skeptisch. Khartoum behaupte das nur, um sich des internationalen Drucks vorübergehend zu erwehren, zeigt sich Elshareef Ali überzeugt: Wie anders sei es zu erklären, dass die angeblich bevorstehende Freilassung vom Außenministerium und nicht vom Berufungsgericht gemeldet wurde?