Drei tödliche Abstürze in einem Monat – davon zwei in der Region – haben aufhorchen lassen. Der Deutsche Hängegleiterverband betreibt Ursachenforschung und benennt die Umstände, die zu solchen Unglücken führen.

Kreis Esslingen - Die Meldungen über tödlich verunglückte Gleitschirmflieger haben sich in den vergangenen Wochen gehäuft. Am Freitag, 5. Juli, ist ein 79-jähriger Paraglider in der Nähe von Beuren ums Leben gekommen. Zuvor war der Stuttgarter von der Rampe auf dem Hohenneuffen gestartet. Über einem Waldgelände beiBeuren-Balzholz stürzte er aus einer Höhe von 30 bis 40 Metern in die Tiefe.

 

Ein weiterer tödlicher Absturz ereignete sich am Sonntag, 21. Juli, auf dem Fluggelände Kuchalb bei Donzdorf (Kreis Göppingen). Ein 35 Jahre alter Flugschüler aus dem Kreis Böblingen war mit seinem Gleitschirm nach einem Windenstart direkt nach dem Ausklinken des Zugseils 50 Meter über dem Boden verunglückt. Er starb noch an der Unfallstelle.

Der DHV untersucht Gleitschirmunfälle

Ein 61-jähriger Gleitschirmflieger ist am Samstag, 20. Juli, in der Universitätsklinik Freiburg seinen schweren Verletzungen erlegen, die er sich eine Woche zuvor bei einem Gleitschirmunfall nahe Oppenau (Ortenaukreis) zugezogen hatte. Er hatte beim Landeanflug in 15 Metern Höhe die Kontrolle über sein Fluggerät verloren und war auf eine Wiese gestürzt.

Karl Slezak vom Deutschen Hängegleiterverband (DHV) sind alle drei Fälle bekannt. Denn der DHV ist vom Bundesverkehrsministerium mit der Untersuchung der Gleitschirm- und Drachenunfälle in Deutschland beauftragt. Slezak, ein DHV-Unfallsachverständiger und der Leiter des Bereichs Technik und Sicherheit, bezeichnet die Untersuchung des tödlichen Absturzes in Beuren als „schwierig“. Das Fluggerät des 79-Jährigen sei bei dessen Bergung notwendigerweise zerschnitten worden, weshalb über eventuelle technische Mängel keine Aussage getroffen werden könne.

Nach einem Herzschlag des Piloten fliegt der Schirm weiter

Gesundheitliche Probleme des betagten Piloten könnten eine Rolle gespielt haben, doch spreche der Ablauf des Absturzes nicht für eine solche Ursache. Denn nach einem Herz- oder Hirnschlag des Piloten „fliegt der Gleitschirm einfach führerlos weiter“, erklärt Karl Slezak. Das sei hier aber nicht der Fall gewesen. Deshalb werde bisher von einem Problem an der Ausrüstung oder von möglicherweise plötzlich aufgetretenen ungünstigen Windverhältnissen ausgegangen.

Solche durch starke Thermik oder Abwind entstehenden Turbulenzen hätten wahrscheinlich den Absturz des 61-Jährigen im Ortenaukreis verursacht. Über die Umstände bei dem Unfall des Flugschülers bei Donzdorf „wissen wir noch zu wenig“, erklärt Slezak. Ein Gutachter sei dabei, die Gründe für den Absturz beim Windenstart zu untersuchen.

Viele Piloten verschätzen sich bei den Windverhältnissen

Karl Slezak zufolge verunglücken jährlich durchschnittlich sieben bis zehn deutsche Gleitschirmpiloten tödlich. Zudem würden dem DHV pro Jahr rund 100 Unfälle mit Verletzten gemeldet. „Gemessen an der Zahl von etwa 30 000 Gleitschirmfliegern in Deutschland ist das relativ wenig.“ Viele der Unglücke ereigneten sich im Ausland, „weil es beispielsweise in Österreich und in der Schweiz sehr schöne Fluggebiete gibt“. Ein Hauptgrund für Abstürze sei, dass die Piloten „sich bei der Einschätzung der Witterungs- und Windverhältnisse vertun“. Bei starker Thermik oder heftigem Wind könne der Schirm ins Rotieren geraten oder gar einklappen. Dann erhöhe sich die Geschwindigkeit von den bei einem ruhigen Gleitflug üblichen 35 Stundenkilometern schnell auf ein Tempo von bis zu 80 Stundenkilometern, bei dem das Fluggerät nur schwer zu kontrollieren sei. Aber auch Leichtsinn und Selbstüberschätzung könnten schnell in kritische Situationen führen.

Es könne nicht behauptet werden, so Slezak, dass Anfänger am häufigsten verunglückten. Es zeige sich aber, dass die beiden Jahre nach der Lizenzerteilung die kritischsten seien. Die Erfahrung bei den Fliegern sei dann noch nicht sonderlich groß, doch die Risikobereitschaft steige an. Allerdings sei dieser statistische Wert nicht so signifikant, „dass man sagen könnte, danach passiert nichts mehr“.

Zahlen zum Deutschen Hängegleiterverband

Mitglieder:
Im Deutschen Hängegleiterverband (DHV) sind rund 35 000 Gleitschirm- und Drachenflieger organisiert – das sind etwa 90 Prozent aller Piloten in Deutschland. Damit ist der im Jahr 1979 gegründete DHV, der seinen Sitz im bayerischen Gmund am Tegernsee hat, der weltweit größte Zusammenschluss in diesem Bereich. Die meisten Piloten leben in Bayern (etwa 10 000 Mitglieder) und in Baden-Württemberg (circa 8500 Mitglieder).

Informationen
: Der DHV bietet auf seiner Internetseite, www.dhv.de umfangreiche Informationen rund um den Flugsport mit Gleitschirm und Drachen. Unter anderem erfahren Interessierte dort viel zum Thema Sicherheit.