Ein Hund greift offensichtlich grundlos eine Frau an und verletzt sie tödlich. Ein Gericht spricht seine Besitzer schuldig. Dem Hinterbliebenen wären ein paar Tränen lieber.

Sigmaringen - Als der Richter das Urteil spricht, faltet der Witwer die Hände, als wolle er beten. Haft auf Bewährung lautet dann die Strafe für die zwei Hundehalter, die am Dienstag vom Amtsgericht Sigmaringen wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden. Ohne den Hund der beiden würde die Frau des Witwers heute wohl noch leben. Stattdessen starb sie im vergangenen Jahr an den gefährlichen Bissen des Tieres. „Es war ein qualvoller Tod, mit dem ich nur schwer zurecht komme“, sagt der hinterbliebene Ehemann, der im Prozess als Nebenkläger auftritt (Aktenzeichen: 5 Ls 11 Js 4710/17).

 

Eigentlich war der Hund der Rasse Kangal an dem Tag Ende Mai 2017 an einer Eisenstange im Garten angeleint, während seine Besitzerin in der Stadt unterwegs war. Doch weil sein Halsband der Kraft des Tieres nicht standhielt, riss sich der Kangal los, brach aus und stürzte sich auf ein nichts ahnendes Opfer: Die 72-jährige Frau hatte keine Chance. Auch ein Notarzt konnte den Tod nicht verhindern.

Grobe Fahrlässigkeit gilt als erwiesen

Die Staatsanwaltschaft sprach in ihrem Plädoyer vor einigen Wochen von einem „Todesfall mit Ansage“. Hätten die Besitzer den Hund richtig gehalten und sein Halsband rechtzeitig ausgetauscht, wäre das Unglück ihrer Ansicht nach zu vermeiden gewesen. Das Gericht sieht grobe Fahrlässigkeit nun als erwiesen an. „Vorschriften zur Hundehaltung wurden in grober Weise missachtet“, sagt der Vorsitzende Richter bei der Begründung des noch nicht rechtskräftigen Urteils.

Die Verteidiger der angeklagten Deutschen hatten einen Freispruch gefordert. Zwar sei die Haltung nicht optimal gewesen, allerdings habe das Tier sich zuvor nie auffällig oder gefährlich verhalten. „Es war für sie nicht erkennbar, dass dieser Hund eine tickende Zeitbombe ist“, sagte der Anwalt. Außerdem habe die Besitzerin nicht einschätzen können, dass das rund 20 Monate alte Halsband zu verbraucht gewesen sei - die Risse seien erst unter dem Mikroskop erkennbar gewesen. Zudem plädierte der Verteidiger dafür, die im Laufe des Prozesses bescheinigte Persönlichkeitsstörung seiner Mandantin als strafmildernd zu berücksichtigen.

Richter entsprechen weitgehend den Forderungen der Staatsanwaltschaft

Während die Anwälte reden, holt der Mann des Opfers mit zittrigen Fingern Notizzettel aus seiner Aktentasche oder schüttelt vehement mit dem Kopf, irgendwann verlässt er kurz den Raum. „Die Plädoyers der Verteidigung waren schwer auszuhalten für mich“, erzählt der Witwer später. Ihm gegenüber, wo die Angeklagten sitzen, kaut man gelassen Kaugummi. „Es hätte gut getan, eine kleine emotionale Regung zu sehen“, meint der Hinterbliebene. Lediglich der Ehemann der Besitzerin stammelt ein heiseres „Es tut mir leid“ in Richtung Nebenklage, bevor sein Kopf auf den Tisch sackt. Ansonsten: Schweigen.

Nach den Plädoyers lautet das Urteil des Gerichts: eineinhalb Jahre Haft auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung für die Besitzerin, zwei Jahre für den getrennt lebenden Ehemann, der den Hund beschafft hatte. Damit entsprechen die Richter weitgehend den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Außerdem müssen die Angeklagten jeweils 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und dürfen während ihrer Bewährungszeit von drei Jahren keine Hunde halten, die mehr als 20 Kilo wiegen. Von einer Geldstrafe, wie sie die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, sieht das Gericht ab, da beide Verurteilten von Arbeitslosengeld leben.