Zu hohe Geschwindigkeit und ein Unfall, der in Gerlingen im November 2019 zum Tod eines 18-Jährigen führte: Warum war der 19-jährige Fahrer so rasant unterwegs? Diese Frage muss das Amtsgericht in Ludwigsburg klären.

Gerlingen - Er wollte mit Freunden, besonders mit einem sehr guten Freund, Halloween sowie den Geburtstag eines Kumpels feiern und bald eine Ausbildung beginnen: Zu alldem ist ein 18-Jähriger aus Gerlingen nicht mehr gekommen. Er starb in der Nacht zum 1. November vorigen Jahres bei einem Verkehrsunfall auf der Feuerbacher Straße in Gerlingen. Der 19-Jährige am Steuer des Unfallautos sowie ein 18-Jähriger, der mit seinem Wagen in Richtung Ortsmitte vorausfuhr, müssen sich deshalb nun vor dem Ludwigsburger Amtsgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden jungen Männern vor, ein verbotenes Autorennen mit Todesfolge und fahrlässiger Körperverletzung gefahren zu sein.

 

Erlaubt sind auf der Strecke 50 Stundenkilometer. Der 19-Jährige war laut der Staatsanwaltschaft mit drei weiteren Insassen allerdings mit Tempo 105 bis 130 unterwegs, als er in einer lang gezogenen Rechtskurve auf Höhe der U-Bahn-Haltestelle Siedlung die Kontrolle über seinen Opel verlor. Er schleuderte gegen einen Laternenmast und krachte gegen einen Baum, bevor er gegen eine Gartenmauer kippte und auf der Seite liegen blieb. Der 18-Jährige auf der Rückbank war nicht angeschnallt und erlag noch am Unfallort einem Schädel-Hirn-Trauma. Die drei anderen Männer, zwei von ihnen schwer verletzt, kletterten durch das Schiebedach aus dem völlig demolierten Opel.

Nach dem Unfall meldeten sich 25 Zeugen

Nun klärt das Gericht, ob der Unfall tatsächlich die Folge eines illegalen Kräftemessens war oder ob der 19-jährige Opelfahrer zu seinem Kumpel vor ihm aufschließen wollte und deshalb beschleunigte, wie er aussagte. Die Angeklagten bestreiten, dass es ein Autorennen war. Dagegen zieht die Polizei aufgrund von Zeugenaussagen ein solches in Betracht. 25 Zeugen hatten sich nach dem Unfall gemeldet. Auf den beschlagnahmten Mobiltelefonen fand die Polizei außerdem Videos, die schnelle Autos beim Übersteuern zeigen – auch das des 18-jährigen Fahrers.

Dass sein Tacho mehr anzeigte als erlaubt, gab der 19-jährige Angeklagte zu. „Ich bin relativ schnell gefahren, sicher um die 100.“ So habe er seinen Freund einholen wollen. Dieser sei zwei Straßenlaternen entfernt gewesen, als der 19-Jährige die Kurve „nicht mehr richtig bekommen“ hatte. Die Kurve sei er schon öfter mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren. In jener Nacht aber habe er die Situation falsch eingeschätzt, nur leicht gebremst, als sein Auto ins Schleudern geriet. Wegen Gegenverkehrs habe er die Kurve enger genommen und sei weit rechts gefahren. „Es tut mir leid. Der Unfall ist nicht einfach so passiert. Ich bin schuld“, sagte der 19-Jährige. Er war auf dem Rückweg zur Schwimmhalle, nachdem er einen Kumpel – jenen engen Freund des Verstorbenen – zuhause abgeholt hatte. Rund um das Schwimmbad hatten sich an Halloween insgesamt rund 15 junge Leute versammelt. Der 18-Jährige im anderen Auto war mit einem weiteren Insassen mitgekommen. Er fuhr etwas früher zurück Richtung Schwimmhalle, während der 19-Jährige noch über ein Smartphone Musik einstellen wollte. Wie groß der Vorsprung des 18-Jährigen war, muss der Sachverständige prüfen – ebenso, wie groß der Abstand der Autos bis zum Unfall war. Bei beiden Aspekten gibt es teils widersprüchliche Zeugenaussagen.

Welche Rolle spielt der 18-jährige Fahrer?

Der 18-jährige Mitangeklagte betonte vor Gericht, Tempo 60 bis 70 gefahren zu sein. Plötzlich habe er einen Knall gehört, und die Laternen seien ausgegangen. Wenig später wendete er und fuhr zum Unfallort. Den 1. November habe er wie in Trance erlebt. Später habe er sich viele Gedanken und Vorwürfe gemacht.

Diese äußerte er in verschiedenen Nachrichten via Smartphone an Freunde. So schrieb der 18-Jährige, dass sein Kumpel nicht beschleunigt hätte um aufzuholen, wäre er nicht mitgefahren. Was, wenn er wirklich schuld sei am Unfall? Der Verteidiger nahm diese „Wahrnehmung“ zum Anlass für Kritik an der Polizei: Er warf ihr vor, dass sie nicht auch diese These aufgestellt habe: Der 19-Jährige habe aufschließen wollen. Dies habe bei den Zeugen womöglich den Eindruck erweckt, dass beide Autos zu schnell gewesen seien.

Statt die Zeugen zu fragen, ob das hintere Auto habe aufholen wollen, seien sie nur nach dem Abstand gefragt worden. Laut der Polizeibeamtin hätten einige Zeugen von sich aus gesagt, dass bloß das hintere Auto zu schnell gefahren sei. Der Prozess wird am 9. Juli fortgesetzt.