Ein 48-Jähriger hat voriges Jahr im Stadtteil Korntal von Korntal-Münchingen eine Frau totgefahren: Jetzt hat das Amtsgericht Ludwigsburg den Mann aus Fellbach verurteilt. Er leidet bis heute unter dem Unglück. Die Richterin hat sich beim Strafmaß schwergetan.

Korntal-Münchingen/Ludwigsburg - Er habe eine „falsche Entscheidung“ getroffen, räumte der Angeklagte ein. Sie endete tödlich: Weil ein 48-jähriger Verkaufsfahrer aus Fellbach (Rems-Murr-Kreis) beim Rückwärtssteuern eine 82-Jährige in Korntal-Münchingen erfasst und sie dabei so schwer verletzt hatte, dass sie noch am Unfallort starb, wurde er wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Richterin Koblinger hielt 120 Tagessätze (3600 Euro) für angemessen. Zugleich betonte sie, dass das Strafrecht in solchen Fällen an seine Grenzen komme.

 

Ungewollter Tod schon Strafe genug

„Ich habe mich mit der Strafe schwer getan“, sagte Koblinger bei der Urteilsbegründung am Donnerstag im Ludwigsburger Amtsgericht. Wenn ein Mensch ungewollt einen anderen töte, sei er meist schon genug gestraft. „Der Vorfall wird Sie ewig begleiten“, sagte sie zu dem Angeklagten. Er hatte alle Vorwürfe bestätigt und zeigte sich gut eineinhalb Jahre nach dem Vorfall noch immer betroffen. Auf die Frage seines Verteidigers, wie es ihm in der ersten Zeit nach dem Zusammenstoß mit der Frau am 20. April vorigen Jahres gegangen sei, brach der 48-Jährige in Tränen aus.

An jenem Donnerstag lieferte er Tiefkühlnahrung in Korntal aus. Da der bordsteinlose, recht schmale Weg zum Kunden in eine Sackgasse mit Wendeplatte mündet, beschloss der 48-Jährige – wie so oft – rückwärts einzufahren, um sich das mit dem Lastwagen mühsame Wenden zu sparen. Ständig den Blick auf die Spiegel geheftet – eine Einparkhilfe hat er nicht – lenkte er das Fahrzeug. Dabei begegnete er einem Auto, dessen Fahrer – einer der Zeugen – gerade Brötchen holen wollte. Damit er keinen blockierte, hat sich der 48-Jährige möglichst weit links gehalten. Dort parken in der Regel Autos. Beim Einscheren an den Fahrbahnrand merkte er, dass er etwas angefahren hatte. Was ihn wunderte, in den Spiegeln habe er zuletzt weder Autos noch Mülltonnen gesehen. Der Zugang zum Haus des Opfers gilt wegen einer Hecke als schlecht einsehbar. Vielleicht, meinte der 48-Jährige, habe er „einen Tick zu lange“ auf das wartende Auto geschaut.

Zeuge grüßte Frau kurz vor ihrem Tod

Der Fahrer und Zeuge bescheinigte dem 48-Jährigen indes einen „angemessenen“ Fahrstil. Vor Gericht berichtete er auch, dass er das ihm flüchtig bekannte Opfer wenige Sekunden vor dem Unfall gegrüßt habe. Da der Lkw „genau dorthin fuhr, wo die Frau stand, Richtung Hecke“, habe er kurz gehalten, bevor er auf die Hauptstraße abbiegen wollte, und beschlossen zurückzufahren. „Der Mann stieg aus seinem Lkw, ging nach hinten, blickte nach unten und fasste sich an den Kopf. Da wusste ich, dass etwas passiert war“, sagte der Zeuge. Die Situation, die sich dem 48-Jährigen bot, habe ihn laut Polizei „sehr mitgenommen“: Die Frau lag mit blutüberströmtem Kopf auf dem Bauch. Sie starb an einem schweren Schädel-Hirn-Trauma. Der als Zeuge geladene Polizist sagte aus, dass die 82-Jährige binnen weniger Sekunden tot gewesen sei.

Unklar bleibt, wann das Opfer auf die Fahrbahn trat. Laut dem Sachverständigen konnte der 48-Jährige die Frau umso besser sehen, je weiter sie auf der Straße stand. Für die Richterin spricht der Gruß zwischen ihr und dem Zeugen dafür, dass sie auf der Straße war, bevor der Lkw einscherte. Jedoch sei sie zuvor von der Hecke verdeckt worden. Das Unglück wäre laut Koblinger zu vermeiden gewesen, wenn die Frau auf den Verkehr geachtet hätte. Auch Fußgänger hätten Pflichten.

Familie trägt Unfallfahrer nichts nach

Auf ein Fahrverbot verzichtete die Richterin. Der 48-Jährige sei ein „umsichtiger Fahrer“. Seit dem Unfall hat er nach eigenen Angaben zudem sein Fahrverhalten verändert. So vermeidet er nach Möglichkeit, rückwärts zu fahren. Gleichwohl falle es ihm nach wie vor schwer, in das Unglücksfahrzeug zu steigen. Wochen nach dem Unfall nahm der 48-Jährige Kontakt zur Familie des Opfers auf. Deren Reaktion dürfte ihm vermutlich wenigstens etwas die Last genommen haben: Die Familie mache ihm keinen Vorwurf. Er sei mit ihr sogar auf dem Friedhof gewesen.