Neue Wende im Tötungsfall am Nikolausabend 2019 am Augsburger Königsplatz: Der Haftbefehl gegen einen der Mitbeschuldigten ist verfassungswidrig, nun kommen auch andere Verdächtige frei.

Karlsruhe/Augsburg - Nach der tödlichen Auseinandersetzung am Augsburger Königsplatz ist gegen einen 17-Jährigen unrechtmäßig Haftbefehl erlassen worden. Das Bundesverfassungsgericht rügt in einer am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung den vom Oberlandesgericht München (OLG) auf Antrag der Augsburger Staatsanwaltschaft erlassenen Haftbefehl. Das OLG ordnete daraufhin umgehend die Freilassung des 17-Jährigen an.

 

Die Staatsanwaltschaft kündigte wenige Stunden später an, dass nicht nur der 17-Jährige aus der Untersuchungshaft komme, die weiteren fünf mutmaßlichen Mittäter würden „aus Gleichbehandlungsgründen“ ebenfalls freigelassen. Nur der Hauptbeschuldigte, ein ebenfalls 17 Jahre alter Jugendlicher, müsse wegen Verdachts des Totschlags in U-Haft bleiben.

Der Anwalt eines mutmaßlichen Mittäters, Felix Dimpfl, hatte gegen den Haftbefehl Verfassungsbeschwerde eingelegt, die Richter in Karlsruhe gaben ihm Recht. Der 17-Jährige sei „in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person verletzt“, befanden die Bundesrichter. Verteidiger Dimpfl ist mit der Entscheidung aus Karlsruhe sehr zufrieden: „Ich war der festen Überzeugung, dass es so nicht geht wie in Augsburg“, sagte er.

Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen

Am Abend des 6. Dezember 2019 war ein Familienvater bei einem Streit zwischen zwei Männern und den insgesamt sieben Jugendlichen am Königsplatz ums Leben gekommen. Der Hauptbeschuldigte soll den 49-Jährigen mit einem Schlag getötet haben. Der Fall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt, auch weil das Opfer Mitglied der Augsburger Berufsfeuerwehr war.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem mutmaßlichen Haupttäter nach den bisherigen Ermittlungen Totschlag und seinen sechs Begleitern Beihilfe dazu vor, alle sieben kamen deshalb in Untersuchungshaft. Das Bundesverfassungsgericht konnte dem Haftbefehl im Falle des einen Mittäters allerdings überhaupt nicht folgen.

Die Ausführungen des OLG zum dringenden Tatverdacht ließen „die erforderliche Begründungstiefe vermissen“, heißt es in der Mitteilung der Richter. Ferner betonen sie, dass „eine schlüssige Darstellung einer konkreten Tat des Beschwerdeführers fehlt“.

Hin und Her der Haftbefehle

Bereits vor der Entscheidung in Karlsruhe hatte es ein Tauziehen um die Haftbefehle gegen die sechs Mitbeschuldigten gegeben. Nachdem das Amtsgericht Augsburg die jungen Männer inhaftiert hatte, hob das Augsburger Landgericht die Beihilfe-Haftbefehle wieder auf. Die sechs jungen Männer wurden kurz vor Weihnachten 2019 aus dem Gefängnis entlassen, aber wenige Tage später wieder auf Anweisung des OLG in Haft genommen.

Das Verfassungsgericht bestätigt nun nicht nur die Position der Richter des Landgerichts, es lobt sogar ausdrücklich deren Entscheidung. Auch die Verteidiger der Mitbeschuldigten hatten immer wieder betont, dass nicht erkennbar sei, wieso ihre Mandanten für das mutmaßliche Tötungsdelikt mitverantwortlich sein sollen. Die sechs Begleiter des Hauptbeschuldigten hätten bei dem tödlichen Schlag nur in der Nähe gestanden.

Das OLG hatte den Haftbefehl gegen alle sieben Jugendlichen mit gruppendynamischen Prozessen begründet. Die Verfassungsrichter betonten, dass dies nicht ausreiche. Das OLG hätte hingegen eine konkrete Tatbeteiligung jedes einzelnen Beschuldigten darlegen und begründen müssen.