Die Polizei nimmt einen betrunkenen Randalierer auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt fest. Und bald schon stellt sich heraus: Der Mann ist offenbar auch noch für einen Mordfall verantwortlich.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Vom Rundfunkgebäude bis zum Mietshaus an der Stöckachstraße sind es 300 Meter. Wenn der Personalchef des Südwestrundfunks in Stuttgart weilt, übernachtet er in dem sechsgeschossigen Haus, dessen Vermieterin eine Gaststätte im Erdgeschoss betreibt. Seit Jahren schätzt er die ruhige Bleibe im Osten. Nun aber ist es erst einmal mit der Ruhe vorbei. Im zweiten Stock ist ein 54 Jahre alter Bewohner umgebracht worden.

 

Die Leiche wurde am Mittwochabend gefunden. Bekannte hatten den Mann schon seit Tagen vermisst. Als die Polizei schließlich gegen 18.45 Uhr in die Räume im zweiten Stock eindrang, fand sie die Leiche des Mannes, der offensichtlich das Opfer eines Gewaltverbrechens geworden war. Das jüngste Tötungsdelikt in Stuttgart ist aber nicht lange ungeklärt geblieben: Am Freitag gab die Polizei bekannt, dass ein Tatverdächtiger in Untersuchungshaft sitzt. Ein 28 Jahre alter Mann, drogensüchtig, alkoholkrank, wegen Gewalttaten und Diebstahlsdelikten polizeibekannt und vorbestraft.

Auf dem Weihnachtsmarkt randaliert

Nicht nur der SWR-Mann war ahnungslos, was sich zuletzt im Haus abgespielt haben musste. „Ich hatte mich nur über das kaputte Glas an der Eingangstür gewundert“, sagt er, als er von der Tat erfährt. Auch eine Polizeistreife ahnte nichts von der Bluttat, als sie den 28-jährigen Tatverdächtigen festnahm. Denn das ereignete sich bereits am Tag vor der Entdeckung des Opfers. Am Dienstag gegen 15 Uhr war ein Betrunkener in der Innenstadt auf dem Weihnachtsmarkt aufgefallen, der Besucher angepöbelt und auf dem Platz randaliert hatte.

„Bei der Kontrolle der Personalien stellten die Beamten fest, dass der Mann zur Festnahme ausgeschrieben war“, sagt Polizeisprecher Jens Lauer. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hatte nach ihm gesucht, weil er wegen Diebstahls eine viermonatige Freiheitsstrafe zu verbüßen hatte. Auch den an jenem Dienstagnachmittag im Übermaß konsumierten Alkohol hatte er, so der Verdacht, offenbar gestohlen.

Zwei Vorfälle finden plötzlich zusammen

Der 28-Jährige sollte festgenommen werden – doch dagegen leistete er heftigen Widerstand. Ob er irrtümlich glaubte, dass man ihn wegen des Tötungsdelikts erwischt hatte, oder einfach nur wegen seiner starken Alkoholisierung widerborstig war, bleibt vorerst unklar. Der Mann randalierte auch in der Zelle weiter. Schließlich kam er wegen des Diebstahls-Haftbefehls in das Gefängnis nach Stammheim.

Dass der Randalierer vom Weihnachtsmarkt und der gesuchte Tatverdächtige des Tötungsdelikts von der Stöckachstraße offenbar ein- und dieselbe Person sind, erkannten die Kripobeamten der Ermittlungsgruppe Ost bei ihren Befragungen im Umfeld des 54-jährigen Opfers. „Aus dem Bekanntenkreis gab es Hinweise auf den 28-Jährigen“, sagt Polizeisprecher Lauer. Offenbar gab es zwischen dem alleinstehenden Opfer und dem mutmaßlichen Täter Kontakte, die sich bis in den Bekanntenkreis des 54-Jährigen herumgesprochen hatten.

Drogenabhängig und ohne festen Wohnsitz

Bei dem 28-jährigen Beschuldigten soll es sich um einen gewaltbereiten Menschen handeln, der ohne festen Wohnsitz ist, sich mit Diebstählen durchschlägt und bei Bekannten Unterschlupf findet. In welcher Beziehung der 28-Jährige zu seinem Opfer stand, was die Hintergründe der tödlichen Auseinandersetzung gewesen sind, darüber gibt es kaum Erkenntnisse. Lauer: „Der Beschuldigte macht zu den Vorwürfen keine Angaben.“ Eine Obduktion durch einen Gerichtsmediziner soll den Todeszeitpunkt klären – die Tat muss sich vor dem Nachmittag des 19. Dezember abgespielt haben.

Freilich scheint der Fall geklärt. Der Tatverdächtige sitzt hinter Gittern, ein Richter verhängte am Freitag einen weiteren Haftbefehl – diesmal wegen des Verdachts eines Tötungsdelikts. Die Beamten der Ermittlungsgruppe waren auch am Freitag damit beschäftigt, alle relevanten Spuren in der Wohnung zu sichern. Der SWR-Mann wird seine Dienstwohnung vorerst nicht aufsuchen müssen – zum Glück kann er die Weihnachtsfeiertage zu Hause in Rheinland-Pfalz verbringen.