Die deutsche Medaillenjagd bei den Paralympics nimmt Fahrt auf. Die Radsportler um Annika Zeyen und Jana Majunke räumen trotz prominenter Ausfälle ab. Insgesamt feiert der DBS zehn Medaillen.

Tokio - Erst die Medaillenflut am Fuji Speedway mit der goldenen Krönung durch Jana Majunke und Multitalent Annika Zeyen – und dann auch noch der Silber-Sprint von Irmgard Bensusan im Olympiastadion: Schon am Tag vor dem „Mega-Mittwoch“ mit Para-Star Markus Rehm hat das Team D bei den Paralympics in Tokio wie erwartet geliefert. Vor allem die Radsportler sorgten trotz prominenter Aussetzer mit acht Medaillen für strahlende Gesichter – mittendrin die überglücklichen Majunke und Zeyen.

 

„Es ist einfach unglaublich“, sagte die querschnittgelähmte Zeyen, die erst 2019 zum Radsport gewechselt war: „In zwei verschiedenen Sportarten Gold bei Paralympics zu gewinnen, das kann man nicht toppen.“ Die Handbikerin triumphierte im Einzelzeitfahren über 16 km und holte sich ihr viertes Edelmetall bei Paralympics. Alle vorherigen Medaillen sammelte die 36-Jährige noch als Rollstuhlbasketballerin, 2012 in London hatte sie sogar Gold gewonnen.

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Dreiradfahrerin Majunke nahm ihren Triumph derweil gelassen auf. „Es scheint ja so zu sein, dass ich Erste geworden bin. Das freut mich natürlich“, sagte die 31-Jährige, die spastische Bewegungsstörungen hat, nach ihrem überlegenen Sieg trocken.

Bei Irmgard Bensusan reichte es über die 200 m zwar nicht ganz wie erhofft zum Gold-Coup, doch auch mit Silber wie in Rio war die gebürtige Südafrikanerin zufrieden. „Ich kann stolz auf mich selbst sein. Ich finde, ich habe Silber gewonnen“, sagte die 30-Jährige. Über 100 m hat Bensusan am Donnerstag eine zweite Chance. Deshalb werde „nicht gefeiert“.

Für viel Glanz sorgten aber vor allem die Radsportler, die wie erwartet die deutsche Bilanz in Japan am Zeitfahrtag enorm aufpolierten. Rio-Champion Vico Merklein und Steffen Warias gewannen Silber, Fahnenträger Michael Teuber, Kerstin Brachtendorf, Matthias Schindler und Angelika Dreock-Käser rundeten das tolle Ergebnis mit jeweils Bronze ab. Vor allem für Dreock-Käser war es ein höchst emotionaler Moment, nachdem ihr Mann vor vier Wochen gestorben war. „Er hat sich das so gewünscht, dass ich eine Medaille hole. Das bedeutet mir so viel“, sagte die Weltmeisterin (54) gerührt.

Die „unfassbare“ Medaille

Überwältigt war auch Brachtendorf. Erst drei Wochen vor den Spielen musste sich die Cottbuserin wegen eines Verschlusses der inneren Beckenarterie operieren lassen. „In meinem Kopf war schon alles abgesagt“, sagte Brachtendorf: „Jetzt habe ich eine Medaille, unfassbar.“

Dabei wäre für die deutschen Rad-Asse noch mehr möglich gewesen, doch Denise Schindler und Andrea Eskau erlebten herbe Enttäuschungen. „Ich habe vom Start weg einen schwarzen Tag erwischt“, sagte Schindler, die sich auf der Bahn noch über die erste Medaille von Tokio überhaupt gefreut hatte. Auch Dauerbrennerin Andrea Eskau verpasste mit dem Handbike nach einem Einbruch das Podest.

Bronze für Dietz

In der Leichtathletik sicherte sich Sebastian Dietz mit Saisonbestleistung Bronze. „Mental und körperlich war das der schwerste Weg, den ich gegangen bin.“ Dietz (36) hatte in den vergangenen zwei Jahren mit Verletzungen und mentalen Problemen zu kämpfen. Merle Menje hat derweil erneut eine Medaille bei den Paralympics knapp verpasst. Nach Rang sechs über 5000 Meter und Platz vier über 800 Meter wurde die 17 Jahre alte Rennrollstuhlfahrerin am Dienstag im Regen von Tokio erneut Vierte. Über 1500 Meter landete Menje in 3:28,64 Minuten hinter der Gold-Gewinnerin Zhou Zhaoqian (3:27,62) aus China, der Schweizerin Manuel Schär (3:28,01) sowie Madison de Rozario (3:28,24) aus Australien.

Souverän ins Halbfinale

Die deutschen Rollstuhlbasketballerinnen erreichten indes souverän das Halbfinale. Das Team um Kapitänin Mareike Miller bezwang Spanien mit 57:33 (24:19) und untermauerte eindrucksvoll seine Ambitionen auf die vierte Medaille in Serie.

Am Mittwoch sollen weitere Spitzenplatzierungen folgen. Weitsprung-Weltrekordler Rehm hat Gold fest eingeplant, will aber weiter als der Olympiasieger springen und ein Zeichen setzen. Im Schwimmen gelten Elena Krawzow und Taliso Engel als heiße Kandidaten. Und bei den Radfahrern soll sich in den Straßenrennen die Medaillenflut fortsetzen.