Die Lkw-Maut soll 2018 auf alle Bundesstraßen ausgedehnt werden. Hanns-Karsten-Kirchmann, der Chef der Mautfirma Toll Collect, warnt vor zu engen Zeitvorgaben.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Das Mautsystem von Toll Collect könnte nach Einschätzung von Unternehmenschef Hanns-Karsten Kirchmann auch eine Ausweitung auf alle deutschen Bundesstraßen bewältigen. Das Knowhow dafür sei vorhanden. Zu enge Zeitvorgaben, warnt Kirchmann, könnten jedoch einen reibungslosen Start des erweiterten Systems gefährden.

 
Herr Kirchmann, seit zehn Jahren erhebt Toll Collect im Auftrag des Bundes die Lkw-Maut. Wie sieht die bisherige Bilanz aus?
Unser System ist leistungsstark und ausbaufähig. Toll Collect hat dem Bund seit dem Start 2005 bereits fast 40 Milliarden Euro Einnahmen gebracht. Voriges Jahr haben wir für 28 Milliarden Kilometer Lkw-Fahrten die Maut erfasst und 1,6 Millionen Rechnungen verschickt, das sind Rekordwerte.
Trotzdem leidet der Ruf von Toll Collect noch immer unter dem verspäteten Start des Mautsystems und dem Streit Ihrer Gesellschafter Daimler und Telekom mit dem Bund wegen des dadurch verursachten Milliardenschadens für den Steuerzahler.
Bitte haben Sie Verständnis, dass ich zu den Schiedsverfahren und den politischen Debatten nichts sagen werde. Unsere Aufgabe hier bei Toll Collect ist es, bis Ende August 2018 die Lkw-Maut im Auftrag des Bundes vertragsgemäß zu erheben. Das tun wir nachweisbar auf höchstem Qualitätsniveau.
Ist Toll Collect für weitere Aufgaben gerüstet – zum Beispiel die Erhebung und Kontrolle der ab 2016 von der Bundesregierung geplanten Pkw-Maut?
Inwieweit hier private Partner gefragt sind und das Geschäftsmodell für Unternehmen reizvoll ist, wird die für den Sommer erwartete Ausschreibung der Bundesregierung zeigen. Wir werden uns das mit unseren Gesellschaftern sicher anschauen und dann entscheiden.
Toll Collect gilt als sehr teures System. Warum sind die Betriebskosten so hoch?
Wir betreiben weltweit das einzige Mautsystem, das sowohl automatisch als auch mit manueller Buchung an bundesweit mehr als 3400 Terminals funktioniert. Das hat der Bund als Auftraggeber so bestimmt, und das kostet natürlich mehr Geld als nur ein Buchungssystem. Gemessen an den hohen Mauteinnahmen und der erfassten Fahrleistung sind unsere Betriebskosten trotzdem sehr günstig und absolut wettbewerbsfähig. Das zeigen seriöse Vergleiche wie eine Studie der Universität St. Gallen.
Bisher sind nur 14 000 Kilometer Autobahnen und Bundesstraßen mautpflichtig. Ob das System auch für größere Anforderungen taugt, ist noch nicht bewiesen.
Richtig ist, dass erst 2,1 Prozent der deutschen Straßen für Lkws bemautet werden. Aber das ist bereits so viel wie in Österreich, Tschechien, Polen und Frankreich zusammen. Deutschland hat schon jetzt das größte zusammenhängende Mautstreckennetz weltweit. Und Toll Collect beweist hier seit zehn Jahren seine Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Akzeptanz.
Sind bei der Ausweitung der Lkw-Maut auf weitere 1000 Kilometer Bundesstraßen ab Juli und Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen ab Oktober Probleme zu erwarten?
Alles läuft bisher auf unserer Seite planmäßig, nötig sind vor allem Updates der Software und der Einbau von 85 000 zusätzlichen Geräten. Wir hoffen, dass die mautpflichtigen Straßenabschnitte rechtzeitig durch die Regierung und den Bundestag bestimmt werden, damit die Zeitfenster bis zum Start nicht zu eng werden.
Eine weit größere Aufgabe ist die für 2018 geplante Ausweitung der Lkw-Maut auf alle außerörtlichen Bundestraßen, ein Netz von rund 32 000 Kilometern. Könnte Toll Collect das bewältigen?
Das wäre machbar, wir haben das nötige Knowhow dafür. Allerdings müssten dazu die Anforderungen und Rahmenbedingungen rechtzeitig feststehen.
Das bedeutet aber, dass der Bund noch einige Hausaufgaben zu machen hat, wenn ab dem Jahr 2018 zusätzliche Mauteinnahmen fließen sollen?
Wie gesagt, zu politischen Vorgängen und den Aufgaben unseres Auftraggebers will ich mich nicht äußern. Jedem Entscheider muss bewusst sein, dass zu enge Zeitvorgaben das Risiko erhöhen, dass der Start eines erweiterten Mautsystems nicht rechtzeitig klappt. Dann könnten geplante Einnahmen in Milliardenhöhe fehlen, und das sollte schon im Interesse der Steuerzahler unbedingt vermieden werden .