Tom Jones hat im Innenhof des Ludwigsburger Schlosses sein Songbuch aufgeblättert. Der walisische sänger gab sich dabei sehr amerikanisch.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Ludwigsburg - Wird ihm das alles nicht irgendwann mal zu viel? Es scheint nicht so. 22.45 Uhr ist es am Mittwochabend bereits, als Tom Jones auf der Open-Air-Bühne vor dem Ludwigsburger Schloss seine Abschiedsworte an das zahlreich erschienene Publikum richtet. Er danke sehr für den Zuspruch, habe sich sehr gefreut, hier zu sein, und hoffe, gemeinsam mit seiner Band noch viele Jahre Musik zu machen und auf Tour zu gehen, verkündet der Sänger sodann. Und warum auch nicht? Jones wirkt mit seinen 79 Jahren topfit, die kleine Unpässlichkeit aus dem vergangenen Sommer, als er ein paar Konzerte absagen musste, scheint längst vergessen.

 

So höflich wie charmant

Elegant wie gewohnt führt er im dunkelblauen Anzug ebenso höflich wie charmant durch sein Programm, ganz im Stile des vom einstigen Staubsaugervertreter zum Ritter geadelten Sir Thomas John Woodward einerseits wie des in seiner zwischenzeitlichen Wahlheimat Las Vegas zum Crooner gereiften Showmans andererseits. Dazu gehört, dass er in Ludwigsburg von den Abenden erzählt, die er sich mit Elvis Presley vertrieben hat, aber auch der kleine Herrenwitz, den sich der „Tiger“ (der immerhin fast sechzig Jahre mit der gleichen Frau verheiratet war) angesichts dreier auf der Bühne stehender Trommeln seines Schlagzeugers (er, scherzt Tom Jones, habe nur zwei Bongos) nicht verkneifen mag.

Der Musiker führt durch ein zwar überaus distinguiertes, aber doch musikalisch sehr vielfältiges Programm. Für diese insgesamt 23 Nummern hat er sich natürlich seine eigenen Klassiker und Welterfolge herausgepickt, er hat aber auch eine Vielzahl von Coverversionen von den vielfältigsten Künstlern der unterschiedlichsten Stile im Angebot.

Mit John Lee Hookers schneidiger Bluesnummer „Burning Hell“ beginnt er den eindreiviertelstündigen Abend, über Solomon Burke, Leonard Cohen und Randy Newman landet er bei der Auswahl seiner Songinterpretationen am Ende bei Louis Armstrong und Prince. Gewürzt wird das mit geschmackvoll ausgewähltem Randrepertoire aus dem Great American Songbook, sodass sich am Ende der ulkige Eindruck verfestigt, dass hier ein Brite aus der tiefsten walisischen Provinz eine Revue vorlegt, wie sie amerikanischer geprägt von keinem US-Superstar hätte inszeniert werden können.

Präzise Band, runde Sache

Das alles wird sehr stimmig und sehr gediegen von seiner fünfköpfigen Band in Szene gesetzt, deren Instrumentarium unter anderem mit Banjo, Dobro und Akkordeon die Impression eines ganz und gar amerikanischen Abends noch verstärkt. Was allerdings das runde Gesamtbild nicht schmälert. Dazu tragen nämlich auch die Interpretationen der sorgfältig über das gesamte Set verteilten eigenen Klassiker des Sängers bei. „Sexbomb“ trägt Tom Jones bald nach Konzertbeginn in einer lässigen Shufflevariante mit einer langen Vokalintroduktion vor, spätestens hier darf das Publikum über seine ungebrochen vorzüglichen Gesangsfertigkeiten staunen. „Delilah“ klingt wie einem Road-Movie-Soundtrack entlaufen und umschifft galant die Schmalzigkeit. „What’s new Pussycat“ wird schön reduziert in einem intimen Zirkel mit der Band am Bühnenrand mit karibischen Anklängen vorgetragen, und „It’s not unusual“ verströmt eine feine funkige Note. Allein Jones’ Variante des Prince-Gassenhauers „Kiss“ als vorletztes Stück des Abends langt, wenn man überhaupt etwas bemäkeln wollte, weder an seine trockene Studioeinspielung dieses Lieds mit Art of Noise noch an das Original heran.

Ein Gruß nach Stuttgart

Sister Rosetta Tharpes auch schon wieder ein Vierteljahrhundert alter Traditional „Strange Things happening every Day“ beschließt am Ende das Konzert, Tom Jones bedankt sich davor zur Freude aller Ludwigsburger Lokalpatrioten noch für den schönen Abend in Stuttgart. In einem mindestens ebenso schönen Ambiente wie bei seinem letzten Auftritt vor zwei Jahren bei den Stuttgarter Jazz Open haben sich die Zuschauer aber auch im wunderbar für Freiluftkonzerte geeigneten Ludwigsburger Schlosshof richtig wohl fühlen dürfen.

Mit einem „God bless you all“ verabschiedet sich der fabelhafte Sänger Tom Jones schließlich, verbeugt sich und geht beifallumrauscht ab. Einstweilen, aber offenkundig noch lange nicht endgültig.