Nicht alle Spitzenköche aus der Region sind in den Gourmetführern gelistet. Der 27-Jährige Nico Burkhardt, der „französisch modern“ kocht, schon.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Es war ein Hochstart mit Ansage, eine Aufgabe, die sich Nico Burkhardt vor allem selbst gestellt hatte: sich seinen ersten eigenen Stern zu verdienen. Zuvor kochte er in Hamburg im Seven Seas (ein Stern, 17 Punkte) unter Karlheinz Hauser, seit dem Frühsommer ist er Küchenchef im Olivo des Stuttgarter Steigenberger Hotels . Viel Zeit blieb ihm also nicht, um die Tester des „ Guide Michelin “ zu überzeugen, die, so heißt es, siebenmal zu Gast waren. Die Kollegen des „Gault Millau“ vergaben 16 Punkte, wenngleich Burkhardt sagt, „17 wären schon gut“, denn das entspricht in dieser Publikation der Drei-Hauben-Spitzenliga.

 

Das Unternehmen Stuttgart sei also „ausbaufähig“. An Ehrgeiz mangelt es dem 27-Jährigen nicht, der die Bewertungen kommentiert mit, „da weiß man, wo man steht“, obwohl er weiß, dass man sich in der Topgastronomie täglich aufs Neue beweisen muss, denn: „Jeder Gast ist ein Tester.“ Seine Linie bezeichnet er als französisch modern – wie modern, das konnten wir bei unserem Besuch im Sommer feststellen: Gemüse wird bei Burkhardt in verschiedenen Texturen zelebriert, oft dehydriert, um einen „Cruncheffekt“ zu erzielen. Aber bei allem Spektakel soll für Burkhardt „das Produkt immer noch erkennbar bleiben“.

Skizzen von neuen Kreationen

Um sich selbst ein Bild von einer neuen Kreation zu machen, für die er bis zu zwei Wochen ausprobiert, fertigt Burkhardt Skizzen an. Das, was auf dem Teller wie gemalt aussieht, ist es in der Entwicklungsphase zuerst also tatsächlich. 30 Ordner habe er zu Hause, und bevor ein neues Rezept, unterstützt von einem „jungen und formbaren“ Dreimannteam in der Küche, in den Umlauf komme, sei auch der Service gefragt, „der schließlich wissen muss, was er da verkauft“.

Sebastian Werning, 33, ist schon geformt genug. Seit vier Jahren kocht er in der Bo’teca di Vino in Botnang, seit Mai 2011 ist er auch Inhaber der kleinen Location, die in keinem der überregionalen Restaurantführer erwähnt wird. Was nicht heißt, dass man dort nicht gut essen kann: 12 Punkte wäre sie mindestens wert, mit denen im „Gault Millau“ eine ernsthafte Würdigung erst beginnt. Darunter wird allenfalls abgewatscht wie das Christopherus (von 12 Punkten im Vorjahr auf 10), wo Burkhardts Vorvorgänger Thomas Heilemann werkelt („die VW-Controller haben es geschafft, dieses Porsche-Luxusprodukt auf Mittelmäßigkeit zu stutzen“) oder Jörg Minks Linde (von 12 auf 10): dem „Niedergang dieses ehemaligen schwäbischen Vorzeigerestaurants“ wird am Ende ein „Adieu!“ hinterher gerufen.

Persönliche Gründe

Man muss sich in den großen Restaurantführern eben behaupten wollen – und Werning will nicht. Zum einen, „weil ich mir nicht von Testern aufzwingen lassen will, wie ich mich zu verhalten habe“, zum anderen habe er keine Lust auf „Büchleesser, die nur nach den Führern gehen“. Ihm gehe es vielmehr um eine gute Küche, um guten Wein und darum, „Spaß mit meinen Gästen zu haben“. Der besteht auch darin, dass er die einzelnen Bausteine seiner sehr kleinen Karte am Tisch vorstellt und dazu animiert, dieses oder jenes nicht festgeschriebene Extra auszuprobieren.

Wernings Verweigerung der Sterneküche, die er bestens kennt und für die auch die Rahmenbedingungen in der Bo’teca nicht geeignet sind, ist aber keine fundamentale, sondern hatte persönliche Gründe: Zuvor war er ein Jahr lang Küchenchef in der Wielandshöhe, aber als das zweite von inzwischen drei Kindern kam, hätten die beruflichen Anforderungen nicht mehr zu den privaten gepasst. Seinen Meister zu machen, sei aber „in einem Lokal ohne Auszeichnung nicht infrage gekommen“. Er wollte „in der harten Schule bei den ganz Großen sein“ – und das war er: beim Zweisternekoch Martin Öxle in der alten Speisemeisterei, beim Dreisternekoch Dieter Müller und bei der zwischenzeitlichen Nummer eins in Deutschland, Joachim Wissler. Heute kann Werning mit „verkleinertem Ego“ zufrieden sagen: „Ein Stern und 16 Punkte kann auch nicht alles im Leben sein“ – und konzentriert sich mit vollem Engagement auf seine Gastgeberrolle in der Bo’teca. Nach der Umgestaltung der Räumlichkeiten stehe als Nächstes der Besuch einer Sommelierschule an.

Im Land sind 61 Restaurants mit Sternen ausgezeichnet

Doch zurück zu den Restaurantführern und unserer Tabelle: Armin Karrer (Avui) ist für den „Guide Michelin“ weiterhin ein Anwärter auf den zweiten Stern, obwohl Bernhard Diers (Zirbelstube) weiterhin einen Punkt mehr im „Gault Millau“ hat. Ein neues Sternerestaurant sind die Backnanger Stuben, der sternelose Neuzugang des Vorjahres, das Yosh, behauptet sich gut, die Speisemeisterei unter Frank Oehler ist zwei Punkte hochgeklettert, Benjamin Breitenbach ist einen Punkt abgestuft worden. Hätte er nicht einen Stern, würde er aus Platzgründen gar nicht mehr in unserer Liste auftauchen – wie die Neuen in Stuttgart, das 5 und das Lava mit jeweils 14 Punkten.

Schaut man über die Region hinaus, so strahlen im Land mit seinen 61 Sternerestaurants in der zweitgrößten Stadt drei neue Sterne und 18 Punkte: Juan Amador hat sein Hauptquartier vom hessischen Langen nach Mannheim verlegt. Beachtlich ist auch, dass Franz Berlin in Berlin’s Krone in Zavelstein von 0 auf 17 Punkte gekommen ist (ohne Stern), bundesweiter „Aufsteiger des Jahres“ im „Gault Millau“ ist eine Frau: Douce Steiner vom Hirschen in Sulzburg mit 17 Punkten (und einem Stern). „Aufsteiger des Jahres“ im „Feinschmecker“ mit einem Stern, 17 Punkten und 3 F ist Dirk Hoberg im Gourmetrestaurant Ophelia (Hotel Riva, Konstanz), wobei es sich hier um eine Leserwahl handelt. Umso erstaunlicher, dass der frisch Geehrte anderen Lesern derzeit nicht zu Diensten ist, denn das Restaurant ist erst im März wieder geöffnet, was den Gepflogenheiten in dieser Liga widerspricht: sich tagtäglich aufs Neue zu beweisen.