In der Tabelle mit den besten Restaurants in der Region Stuttgart hat sich einiges getan: Es gibt einen neuen Spitzenreiter, zwei Sterne mehr und einen Absteiger. Wir geben einen Überblick.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Wer alle Jahre wieder die StZ-Liste mit den Spitzenrestaurants studiert, dem fällt auf, dass diesmal ein anderes als in den vergangenen Jahren ganz oben steht: das Burgrestaurant Staufeneck (Salach, Kreis Göppingen), in dem Rolf Straubinger und sein Küchenchef Christoph Gies höchste Kunst zwischen Klassik und Moderne interpretieren, wie wir bei einem Besuch im Frühjahr erleben konnten. Jahrelang war Bernhard Diers mit 18 Punkten im Gault Millau die Nummer eins, aber aus gesundheitlichen Gründen musste er sich aus dem Hotel am Schlossgarten zurückziehen. Dass sein Nachfolger Sebastian Prüßmann in unserer Tabelle weit unten gelandet ist, liegt daran, dass die meisten Gourmetführer wegen seiner noch kurzen Zeit in Stuttgart mit der Bewertung aussetzen.

 

Nach jetzigem Stand gehört das Schlossgartenrestaurant zwar weiter nach oben – ob es im nächsten Jahr vor Wielandshöhe und vor allem Olivo anzusiedeln ist, bleibt abzuwarten. Denn gerade über den Spitzenkoch im Hotel Graf Zeppelin schreibt der Gault Millau: „Wenn Nico Burkhardt, 29, so weitermacht, geht hier ein neuer Stern am Stuttgarter Gastrohimmel auf.“ Die bildhafte Formulierung weist auf einen möglichen zweiten Stern der Konkurrenz vom Guide Michelin hin, wird aber relativiert mit: „Wir zögern, die Note auf 17 zu erhöhen, weil sich Burkhardt mit zehn Gerichten begnügt, die er auf zwei Menüs verteilt (plus Käse) – etwas wenig im Vergleich zu einem Gäste schätzenden Allrounder wie Vincent Klink.“

Kritik wird mit Humor genommen

Laut Frank Oehler hat nach Klinks Wielandshöhe kein Sternerestaurant in Stuttgart mehr Gäste als die Speisemeisterei. Die aber ist vom Gault Millau auf 14 Punkte degradiert worden, obwohl sie schon unter Oehler einst bei 16 Punkten stand. „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird“, nimmt es der populäre RTL-2-Kochprofi mit Humor und meint damit, dass die Aburteilung schnell vergessen werde. Betriebswirtschaftlich sei sein fünftes Jahr in Stuttgart das bisher beste gewesen, auch die Küche sei auf höherem Niveau als im Jahr nach seiner Übernahme der Speisemeisterei.

Markus Eberhardinger, seit 2010 Küchenchef und seit 2013 gleichberechtigter Geschäftsführer der GmbH, ist im Gegensatz zum ehemals jungen Wilden Oehler eher klassisch geprägt und sagt zur Abwertung: „Das tut schon weh, aber mit Kritik muss man leben.“ Womöglich habe der Tester einen schlechten Tag erwischt – auf beiden Seiten. Oehler liest „zwischen den Zeilen eine gewisse Antipathie“, die im Gault Millau bei anderen TV-Köchen wie Tim Mälzer (geriert sich gern „als Apostel der Lässigkeit“) und Steffen Henssler („der kochende Mario Barth“) deutlicher zu spüren ist.

Mit 25 Jahren schon den ersten Stern

Auch Benjamin Maerz muss feststellen: „Von denen bekommen wir ja immer eins auf den Deckel.“ Andererseits sind 14 Punkte für seine Rose in Bietigheim jenseits der Kritik im Text eine Aufwertung. Vor allem aber kann er sich über seinen ersten Stern freuen, den er im Alter von 25 Jahren erkocht hat.

Als wäre dies nicht schon Leistung genug, muss man wissen, dass Maerz im Gegensatz zu den meisten Spitzenköchen mit ihren vielen Karrierestationen nicht den berühmten Meistern als Sous-Chef oder Entremetier, also Beilagenkoch, über die Schulter schaute. Er hat im Haus gelernt, beim Vater, der wenige Tage vor der praktischen Prüfung seines Sohnes Anfang 2010 im Alter von 55 Jahren plötzlich verstarb. Ein Schock für die Familie. Und doch ist der Junior mit viel Engagement seinen Weg gegangen und hat der Doppelbelastung standgehalten. Sein geplantes Food-Management-Studium in Bad Mergentheim wollte er nicht aufgeben – vor Kurzem konnte er es als Bachelor abschließen –, zusätzlich musste Benjamin Maerz immer mehr in den elterlichen Betrieb einsteigen, dessen Geschäftsführer er inzwischen ist. Auch sein Bruder Christian, 21, brachte sich verstärkt ins Geschäft ein und kümmert sich um Hotel, Service und den Wein. Jetzt wird das Traditionshaus in Bietigheim, Baujahr 1784, nach und nach modernisiert – in der Küche ist die Moderne längst angekommen. Benjamin Maerz „will nach vier Jahren noch nicht von einem eigenen Stil sprechen“, aber besonders mit dem Menü „Signatur Maerz“ beweist er neben seinen traditionellen Gerichten à la carte Format und Mut. Das liegt auch an modernen Techniken, die er sich angeeignet hat. „Ich bin grundsätzlich autodidaktisch veranlagt“, erklärt er. „Man probiert so lange aus, bis man es kann – oder bis man merkt, dass es nichts ist.“

Die Bandbreite ist größer geworden

Mit „man“ meint er auch seine zwei Helfer, von denen der eine ebenfalls im Haus gelernt hat. Sein aus dem Norden kommender Sous-Chef Nils-Levent Tescan aber war zum Beispiel auch schon in Hamburg im Haerlin, das inzwischen mit zwei Sternen ausgezeichnet ist. Die gemeinsame Philosophie gibt Benjamin Maerz so aus: „Selbst mit relativ einfachen Produkten kann man eine große kulinarische Bandbreite erreichen. Wir möchten die ganze Vielfalt nutzen – aus der Region und aus aller Welt.“

Insgesamt kann man zur Region Stuttgart sagen: Die kulinarische Bandbreite ist nicht nur groß, sondern sogar größer geworden. Denn wie berichtet ist auch über der Krone in Waldenbuch ein neuer Stern aufgegangen. Ansonsten hat es nur kleinere Verschiebungen in der StZ-Tabelle gegeben. Man mag diese Konstanz als Selbstverständlichkeit nehmen, sollte aber bedenken, dass es fast genauso schwierig ist, dieses höchste Niveau zu halten, wie es überhaupt erst einmal zu erlangen.