Der VfB Stuttgart hat viele talentierte Torhüter ausgebildet, die bei renommierten Bundesligisten zwischen den Pfosten stehen. Im Verein selbst gibt es dort seit einiger Zeit große Probleme.

Stuttgart - Immerhin kommt Rastko Suljagic (19) gerade weit herum in der Welt des Fußballs. Auf die Station bei Dnjepr Dnjepropetrovsk hätte er aber vermutlich verzichten können, zumal er bei dem ukrainischen Club nur in der zweiten Mannschaft eingesetzt wird – wenn überhaupt. Dabei hatte ihn Fredi Bobic vor zwei Jahren als eines der größten Torhütertalente in ganz Europa bezeichnet. Mit Suljagic wollte der damalige Manager einen Pilotversuch starten und den VfB Stuttgart zu der internationalen Spitzenadresse in Sachen Ausbildungsverein für erstklassige Nachwuchskeeper machen, die dann entweder bei den eigenen Profis in der Bundesliga spielen oder für möglichst viel Geld verkauft werden sollten. Das wurde als Geschäftsmodell der Zukunft gepriesen – eine Marktlücke?

 

Antwort: das Zwischenergebnis sieht so aus, dass der im Januar 2013 von Roter Stern Belgrad verpflichtete Suljagic nun bis Juni 2015 ausgeliehen wurde – an Dnjepr Dnjepropetrovsk II. Er ist durchgefallen. Das Endergebnis muss aber ein anderes sein. Sonst ist das Geschäftsmodell mit der Torwarttalentschmiede gescheitert.

Bobic wollte mit seiner Idee eine Tradition aufgreifen. Denn wenn der VfB einst irgendwo keine Probleme hatte, dann zwischen den Pfosten. Dafür standen Nationaltorhüter wie Helmut Roleder, Eike Immel, Franz Wohlfahrt, Timo Hildebrand und Jens Lehmann. Auch in der Gegenwart gehören drei in der Stuttgarter Förderschule ausgebildete Keeper zu Stammkräften in der Liga: Bernd Leno (22), der vor drei Jahren für 7,5 Millionen Euro zu Bayer Leverkusen wechselte, Loris Karius (21) von Mainz 05 und Diego Benaglio (31) aus Wolfsburg. Drei von 18 – das ist kein schlechter Schnitt. Aber was hat der VfB davon?

Nur Leno war ein gutes Geschäft

Bei Leno war es wenigstens finanziell ein lohnendes Geschäft. Er sah auf dem Wasen keine Perspektive mehr, nachdem sich der Torwarttrainer Andreas Menger klar für Sven Ulreich (26) positioniert hatte, der sich anschließend jedoch nicht wie gewünscht entwickelte und inzwischen nur noch die Nummer zwei hinter dem ebenfalls alles andere als fehlerfreien Thorsten Kirschbaum ist. Verbessert hat sich unter Menger keiner der beiden. Deshalb ist diese Position mittlerweile erstmals seit Langem auch wieder zu einer Schwachstelle im Team geworden.

Allein schon aus diesem Grund lassen sich der 2012 verkündete Anspruch und die 2014 herrschende Wirklichkeit kaum miteinander in Einklang bringen. Der VfB hat aktuell wahrscheinlich ähnlich viele oder ähnlich wenige hoffnungsvolle Keeper in seinen Reihen wie die meisten Konkurrenten – und in der Profiabteilung, in der es vor allem zählt, gibt es sogar Defizite. Trotz dieser Mängel hat sich der Verein im Übrigen bei internationalen Transfers von jungen Torhütern seit Januar 2013 merklich zurückgehalten – geschuldet den Erfahrungen mit Suljagic, der in einer unterklassigen ukrainischen Liga gelandet ist.

Aber ganz verabschiedet hat sich der VfB von seinem Torhüterprojekt und der Talentschmiede nicht. Schließlich gibt es Odisseas Vlachodimos (20) aus der zweiten Mannschaft, der in der vergangenen Saison zum besten Keeper der dritten Liga gewählt worden ist. Ihm traut der Sportdirektor Jochen Schneider die gleiche Karriere zu wie Leno, Karius und Benaglio – aber am liebsten nicht in Leverkusen, Mainz, Wolfsburg oder sonst wo in der Fremde, sondern beim VfB. Dafür bringe Vlachodimos alle Voraussetzungen mit, sagt Schneider, „sportlich und von der Persönlichkeit her.“

Wer schafft als Nächster den Sprung?

Vlachodimos könnte also der Nächste sein, der den Sprung schafft – und Philipp Köhn (16) der Übernächste? Er ist im Sommer 2013 vom FC Schalke gekommen. Das heißt, der VfB sucht jetzt zwar nicht mehr unbedingt in Skandinavien oder auf dem Balkan nach Talenten, „aber wir schauen uns bundesweit nach jungen Keepern um“, sagt Schneider – und verweist darauf, dass der Club in diesem Bereich quantitativ und qualitativ mit seinen Mitarbeitern so aufgestellt sei, „dass wir da weiter eine gute Anlaufstelle sein können.“ Das klingt dann aber schon mindestens eine Spur bescheidener als der ursprüngliche Plan von Bobic mit dem Geschäftsmodell und der Marktlücke und dem europäischen Ansatz.

In diesem Sinne: Suljagic lässt grüßen – von Dnjepr Dnjeprpetrovsk II.