Der nimmersatte Torjäger Robert Lewandowski verkörpert das erfolgshungrige Ensemble des FC Bayern München perfekt – und meldet sich neuerdings sogar freiwillig zur Auswechslung.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart/München - Das kann er jetzt also auch noch. Robert Lewandowski bittet um seine Auswechslung! In Windeseile verbreitete sich am Samstagabend die von Trainer Hansi Flick lancierte Nachricht, die rund um diesen sonst eher routinemäßig gestalteten Bundesliga-Auftritt des FC Bayern (5:0-Sieg gegen Eintracht Frankfurt) und seines Stürmerstars (drei Tore) so etwas wie den Breaking-News-Charakter bekam beim Rekordmeister.

 

Lewandowski will ausgewechselt werden! Unverletzt! Ja Herrschaftszeiten! Genauso gut hätte man Uli Hoeneß zum Vorstandsvorsitzenden der bayerischen Vegetarier-Innung ernennen können, es wäre bis zu diesem Samstagmittag eine Ente ähnlichen Ausmaßes gewesen. Lewandowski will freiwillig raus. Undenkbar? Nein, Realität!

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„Das ist eine Neuigkeit, die es so noch nicht gegeben hat“, sagte Hansi Flick also schmunzelnd – und tiefzufrieden. Denn was kann es Schöneres geben für einen Trainer, wenn sein früher oft als Egomane verschriener Torjäger nach seiner in der vergangenen Saison vollendeten Wandlung zum Teamplayer jetzt auch noch als Zuckerl freiwillig die Bühne verlässt, um Kräfte zu sparen und anderen auch mal die Show zu gönnen? Fakt ist: Die Beziehung zwischen dem FC Bayern und Lewandowski hat am Wochenende wohl so etwas wie ihren Höhepunkt erreicht. Längst vergessen sind die Zeiten, in denen der Pole nur an sich dachte und als er des Öfteren auf einen Wechsel zu Real Madrid drängte.

Sinnbilder der Gefräßigkeit

Jetzt ist alles anders. Denn Lewandowski, das ist spätestens nach dem Triumph in der Champions League vor knapp zwei Monaten klar, ist der FC Bayern. Und der FC Bayern, das ist Lewandowski. Und alle zusammen sind: Sinnbilder der Gefräßigkeit und des nimmermüden Ehrgeizes.

Und auch wenn das auf den ersten Blick täuschen mag – der jüngste Auswechselwunsch des Torjägers passt da ins Bild. Denn Lewandowski hat die gesamte Saison im Blick in diesem Corona-Jahr. Und er weiß: Nur topfit und damit auch mal geschont können er und seine Mitspieler diese große Aufgabe bei der größten Belastung hinbekommen: konstant auf höchstem Level spielen.

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Der Pole war aber auch qua seines Kerngeschäfts mal wieder das Hauptthema des Tages. Weil er nicht aufhört zu treffen. Mit seinem Dreierpack gegen die Eintracht stellte er einen Bundesliga-Rekord auf: Zehn Tore in den ersten fünf Partien gab es noch nie. Mit dieser Quote, klar, jagt Lewandowski mal wieder den legendären Gerd-Müller-Rekord von 40 Saisontreffern aus der Saison 1971/72. Es kamen also wieder die unvermeidlichen Fragen nach Müllers Bestwert. Lewandowski wollte aber kein Bomber sein und schoss zumindest verbal nicht scharf: „Die Statistiken sind mir nicht so wichtig, ich bin fokussiert auf die Mannschaft und auf das Spiel.“

Und da machte Lewandowski am Samstag die Bühne frei für den Mann, der nach einer vierwöchigen Pause nach einer Knieverletzung sein Comeback feierte. Neuzugang Leroy Sané gestaltete seine Rückkehr formidabel, nach vier Minuten auf dem Platz startete er seinen Lauf von rechts nach innen und schlenzte die Kugel mit links ins lange Eck. Ein gewisser Arjen Robben dürfte nun qua eigenem Selbstverständnis für sich in Anspruch nehmen, das Vorbild Sanés zu sein. Heißt ja auch auf ewig Robben-Move, das Ding. Und nicht Sané-Wackler oder so was. Also bitte schön.

Sanés Sonderschichten

Der Neue auf dem rechten Flügel jedenfalls schob nach dem Schlusspfiff noch ein paar Extraschichten auf dem Platz in der Arena und sprintete auf und ab, was den Dreifachtorschützen Lewandowski begeisterte. „Go, go, go!“, schrie der Matchwinner von draußen in Richtung Sané – und die Ernsthaftigkeit der Anfeuerung demonstrierte die kollektive Erfolgsgier beim FC Bayern eindrücklich.

Weiter, immer weiter – der künftige Vorstandschef Oliver Kahn dürfte seine helle Freude an den Jungs unten auf dem Rasen haben, die sein früheres Erfolgsmotto mit Leben füllen. Und die nach dem 1:4 am zweiten Spieltag bei der TSG Hoffenheim wieder in ihrem Dominanz-Modus zu sein scheinen.

Denn da sind ja nicht nur Torjäger Lewandowski oder Sané. Da sind auch hungrige Jungs wie Joshua Kimmich oder Manuel Neuer, die noch immer beleidigt sind, wenn der Trainer bei Bayern oder auch bei der Nationalelf sie mal draußen lässt oder gar nicht nominiert. Da muss bei Kimmich, das am Rande, ein wichtiger Anlass her, dass er mal freiwillig auf eine Partie verzichtet. So wie zuletzt beim Auswärtsspiel in Bielefeld, als er zum zweiten Mal Vater wurde. Was ihn nicht daran hinderte, die Kollegen vor der Partie in die Pflicht zu nehmen. Kimmich forderte die Mitspieler via Nachricht im Gruppenchat dazu auf, „gefräßig“ zu sein.

Neue Generation

Erzählt hat diese Geschichte Thomas Müller, der wie sein in der DFB-Elf ebenfalls ausgebooteter Teamkollege Jérôme Boateng schon deshalb gefräßig bleibt, um Joachim Löw zu zeigen, dass er noch lange nicht satt ist und aufs Abstellgleis gehört. Und dann gibt es diese neue Generation mit Kimmich, Serge Gnabry, Leon Goretzka, Niklas Süle und Sané, die nichts anderes vorhat, als den deutschen Fußball über Jahre hinweg zu dominieren.

Es ist eine explosive Mischung, die Hansi Flick da zur Verfügung hat.