Nach langen Diskussionen hält die Torlinientechnik nun auch in der Fußball-Bundesliga Einzug. Bei dem „Hawk-Eye“-System handelt es sich um eine Technologie mit 14 auf den Stadiondächern installierten Kameras. Kosten pro Partie: 8000 Euro.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Das Auge des Falken hätte Stefan Kießling einiges an Ärger erspart. Als der Leverkusener Stürmer am 13. Oktober 2013 den Ball beim Gastspiel in Hoffenheim durch ein Loch im Außennetz zum 2:0 köpfte, hatte die Fußballnation ihr Phantomtor. Bayer siegte 2:1 – doch Kießling („Ich habe dem Schiedsrichter Brych gesagt, dass ich nicht gesehen habe, wie der Ball rein ist“) wurde im Internet derart übel beschimpft und beleidigt, dass er seine Facebook-Seite schließen musste.

 

Sieben Monate später belegte dann eine 3D-Analyse im Anschluss an das DFB-Pokalfinale von 2014 eindeutig, dass ein Kopfball des Dortmunders Mats Hummels beim Stand von 0:0 bereits 40 Zentimeter hinter der Linie war, ehe der Bayern-Verteidiger Dante das Leder klärte. Das Thema Torlinientechnik hielt so endgültig Einzug in die Chefetagen des deutschen Fußballs.

Das Debüt des „Haw-Eye“ in der Bundesliga

Von Freitag an wird das „Hawk-Eye“, das in England bereits seit der Saison 2013/14 eingesetzte, Kamera-gestützte „Falkenauge“, daher auch von den Dächern der Bundesligastadien aus über die deutschen Erstliga-Torlinien wachen. „Wir versprechen uns davon eine große Erleichterung. In der Frage, war es ein Tor oder nicht, wird es künftig keine Diskussion mehr geben“, sagt Lutz Fröhlich, der DFB-Abteilungsleiter für Schiedsrichterwesen. 8000 Euro pro Spiel kostet die Bundesligavereine künftig der Einsatz der britischen „Hawk-Eye“-Technologie, die bei der Vorauswahl durch den Vorstand der Deutschen Fußball-Liga (DFL) gegenüber den konkurrierenden Systemen Goal-Ref (das mit Magnetfeldern sowie einem Chip im Ball arbeitet) und der Variante Goal-Control die Nase vorne hatte. Das macht über die gesamte Saison einen finanziellen Aufwand von 130 000 Euro.

Viel zu viel – das fand zunächst der Kölner FC-Manager Jörg Schmadtke, der den vom FC Bayern München eingebrachten Antrag auf Einführung der Torlinientechnik ablehnte. „Die Kosten sind so exorbitant, dass sie nicht tragbar sind“, sagte Schmadtke im Herbst 2014 – und äußerte auch grundsätzliche Bedenken an dem System, das von Fußballpuristen vehement abgelehnt wird: „Wenn man so eine Tür öffnet, dann bekommt man irgendwann auch Techniken für Abseits und das Seiten-Aus.“

Geblieben ist der Kölner Manager, als Torhüter unter anderem für den SC Freiburg lange in unmittelbarer Torliniennähe im Einsatz, bei seiner ablehnenden Haltung letztlich aber nicht. Denn als die 18 Erstligaclubs – diesmal ohne die zweite Liga – Ende 2014 zur zweiten Abstimmung schritten, da wurde mit einem Ergebnis von 15:3 für die neue Technologie die in der DFL-Satzung verankerte Zweidrittelhürde souverän genommen. „Diese Lösung war überfällig“, sagte Alexander Rosen, der Manager aus Hoffenheim.

Technisch besteht das „Hawk-Eye“-System, das sich im Tennis, Snooker oder Cricket längst bewährt hat, im Fußball aus 14 auf dem Stadiondach montierten Kameras, von denen sechs aus unterschiedlichen Winkeln je ein Tor sowie jeweils eine die Torlinie überwachen. Dabei handelt es sich um Hochgeschwindigkeitskameras, die bis zu hundert Bilder pro Sekunde machen. Somit liefert die Technologie, die eine maximale Fehlertoleranz von unter einem Zentimeter garantiert, auch dann ein exaktes Bild des Torlinienszenarios, wenn der Ball durch Spieler verdeckt ist.

„Goal“ erscheint auf der Uhr des Schiedsrichters

Ist das Spielgerät im Tor, wird auf der Uhr des Schiedsrichters ein Vibrationsalarm ausgelöst und es ist auf dem Display das Wort „Goal“ („Tor“) abzulesen – zusätzlich erhält der Unparteiische über sein Headset ein akustisches Signal ins Ohr übermittelt. Binnen zwei Sekunden steht die Entscheidung des „Hawk-Eye“. Diese soll in der Fußball-Bundesliga wie beim Tennis üblich auch den Fans in den Arenen mittels Videoleinwand gezeigt werden.

Allerdings ist der technische Aufwand des Systems nicht zu unterschätzen. Neben den 14 Kameras ist auch ein Übertragungswagen vor jedem Stadion nötig, in dessen von einem Mitarbeiter verwalteten „TV Compound“ alle nötige Informationen zusammen laufen. Weil Kameras auf Höhe der Eckfahne unabdingbar sind und etwa am altehrwürdigen Böllenfalltorstadion das Tribünendach nicht lang genug ist, musste der Aufsteiger Darmstadt 98 extra Kameramasten installieren.

Dennoch überwiegt bei den meisten Protagonisten die Vorfreude auf das „Hawk-Eye“. „Ein Tor ist eine finale Entscheidung – und diese sollte zu Recht getroffen werden“, sagt der Dortmunder Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, dessen um das Hummels-Tor geprellter BVB letztlich das Pokalfinale von 2014 in der Verlängerung mit 0:2 gegen den FC Bayern verlor. Gegen die Einführung der Torlinientechnik stimmte neben dem SC Paderborn und Eintracht Frankfurt auch Schalke 04. Dessen Sportvorstand denkt bereits in eine andere Richtung: „Ob ein Ball kurz hinter der Linie ist oder nicht, kommt vielleicht alle 50 Spiele mal vor“, sagt Horst Heldt: „Aber Abseitsentscheidungen oder andere strittige Szenen hast du in jedem Spiel.“ Der Frankfurter Vorstandschef Heribert Bruchhagen glaubt daher: „Der Videobeweis wird der nächste Schritt sein.“