Der Erfolg im Eröffnungsspiel gegen Korea ist noch nicht der Maßstab – doch fest steht: Will die Handball-Nationalmannschaft bei der WM das Halbfinale erreichen, dann braucht sie ein überragendes Torwart-Duo.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Berlin - Andreas Wolff hielt die Trophäe für den „Spieler des Spiels“ in den Händen – und ein entspanntes Lächeln huschte über sein Gesicht. Das 30:19 (17:10) im WM-Eröffnungsspiel gegen Korea stellte zwar noch nicht den großen Maßstab dar – doch gerade für den Torwart war es wichtig, erfolgreich ins Turnier zu starten. „Wir sind unheimlich erleichtert, dass wir es gut hinbekommen haben“, sagte Wolff. 15 Paraden zeigte er, darunter waren zwei gehaltene Siebenmeter. „Wir haben einen guten Andreas Wolff gesehen“, lobte auch Christian Prokop.

 

Etwas überraschend hatte sich der Bundestrainer vor WM-Beginn öffentlich auf Wolff als klare Nummer eins festgelegt. Überraschend deshalb, weil dafür im Handball eigentlich keine Notwendigkeit besteht, da ständig gewechselt werden kann. Hinzu kommt, dass beide Keeper große Egos haben. Beide wollen immer spielen. Beide sind ehrgeizig und hassen es zu verlieren. Beide haben ein gewisses Maß an Extravaganz. Diese Verrücktheit im positiven Sinne schürt das Spannungsverhältnis. Jeder ist davon überzeugt, der Beste zu sein. Dieses heiße Duell um so viel Spielzeit wie möglich, ist für jeden Trainer ein Luxusproblem. Die Rivalen stacheln sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Gegen Korea war das nicht nötig. Heinevetter kam beim 24:12 (42.) zwischen die Pfosten und wehrte noch vier Bälle ab. Die wahren Bewährungsproben kommen noch.

Ein Traumpaar, ohne sich zu mögen

Das gilt auch für die Beziehung zwischen Wolff und Heinevetter. Sie sind, vorsichtig ausgedrückt, nicht die besten Kameraden. Sozusagen ein Traumpaar, ohne sich zu mögen. Die Torwart-Legende Andreas „Hexer“ Thiel findet das nicht schlimm: „Wichtig ist, dass man professionell miteinander umgeht.“

Wie er und sein Kollege Stefan Hecker es früher taten: „Jeder hat akzeptiert, dass der andere eine Rakete ist.“ Velimir Petkovic, Heinevetters Trainer bei den Füchsen Berlin, spielt die klare Rollenverteilung im deutschen Torwart-Team herunter: „Im Handball ist das nicht wichtig. Schon nach fünf Minuten kann alles schon wieder ganz anders aussehen.“ Auch der frühere Coach von Frisch Auf Göppinger ist sicher: Das Ausnahme-Gespann kann für Deutschland das große Trumpf-Ass im WM-Poker werden. Beide sind in der Lage, ein großes Spiel zu entscheiden. „Durch ihre vollkommen unterschiedliche Spielweise ergänzen sie sich optimal“, sagt Petkovic.

Wolff stemmt beim Bankdrücken bis zu 150 Kilo

Wolff ist der Fels in der Brandung. Der 1,98-m-Riese baut sich mit seiner immensen Spannweite zum oft unüberwindbaren Hindernis auf. Es lebt inzwischen ein Bodybuilder im Körper des 27-Jährigen, der beim Bankdrücken bis zu 150 Kilogramm stemmt. Seine Weltklasseleistungen beim überraschenden EM-Titel 2016 katapultierten ihn ins Rampenlicht. Mit unverblümter Direktheit, aber nicht überheblich, absolvierte er seine Auftritte in der Öffentlichkeit.

Aus Frust nach Kielce

Er hat viel an sich gearbeitet – in allen Belangen: „Früher war Andi bisweilen sehr aufmüpfig, schon als Teenager hat er gemeint, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben“, erinnert sich Gottfried Kunz, sein Ex-Trainer beim TV Kirchzell. Der hatte ihn mit 16 Jahren aus dem 350 Kilometer entfernten Euskirchen in sein Team geholt, da er zwar für die Aufnahme am Leistungszentrum Großwallstadt gut genug war, die Familie die Internatskosten in Höhe von 450 Euro pro Monat aber nicht stemmen konnte. Über Wetzlar landete er beim THW Kiel. Dort hat Wolff im Bundesliga-Alltag hinter dem dänischen Nationalkeeper Niklas Landin oft wenig Spielanteile. Aus diesem Frust heraus unterschrieb der Keeper schon früh den nächsten Vertrag: Von Sommer 2019 an liegt Wolffs Revier in Polen – bei Meister KS Kielce.

Der Star im Fuchsbau

Heinevetter zeigt sich dagegen vereinstreuer. Seit 2009 hütet er das Tor in Berlin. Im Fuchsbau ist der 34-Jährige der unumstrittene Star. Mit seinen unglaublichen Reflexen, seinen unkonventionellen, teils akrobatischen Einlagen bringt er im Stil eines unerschrockenen Kung-Fu-Kämpfers die Angreifer zur Verzweiflung. Außerdem liebt er die Psychospielchen mit seinen Gegenspielern. Ausreden lässt er sich das nicht. Andreas Thiel weiß, warum: „Ein guter Torhüter hört nur auf einen guten Torhüter. Der beste hört auf gar niemanden.“ Dann kann bei dieser WM für Deutschland eigentlich wenig schiefgehen.