Ein Pilz drohte, die berühmten Allee bei Bolgheri zu zerstören. Züchtern ist es in jahrelanger Arbeit gelungen, einen resistenten Klon des Baumes zu züchten. Und das ganz ohne Gentechnik.

Bolgheri - Sie fehlen auf keinem Toskana-Foto und prägen das Landschaftsbild wie außer ihnen nur noch der Olivenbaum: die Zypressen. Schwarzgrün, rank und schlank ragen sie in den blauen Himmel – durch ihre Rinde aber frisst sich seit einiger Zeit ein fieser Pilz. Eine regelrechte Landplage ist dieser Seiridium cardinale geworden. Während es nur Ortskundige merken, wenn vor dem einen oder anderen Landgut Bäume gefällt werden müssen, so hat der Rindenkrebs, den der Pilz hervorruft, an einer Stelle ganz verheerende Auswirkungen: an der Straße von Bolgheri, einem nationalen Naturdenkmal.  

 

Das ist – südlich von Livorno – eine   schnurgerade, fünf Kilometer lange Allee, die vom Meer zum Schlösschen Bolgheri hochzieht, eine einzige, ununterbrochene Doppelreihe von Zypressen, knapp 2400 an der Zahl, dicht an dicht, fünfzehn, sechzehn Meter hoch, sichtbar schon aus weiter Ferne, für die Ewigkeit angelegt von den Grafen Della Gherardesca im Verlauf eines ganzen 19. Jahrhunderts.

Der Baumpilz liebt das feuchte Klima

In einer derart fruchtbaren Umgebung, gefördert durch das milde, feuchte Meeresklima, fühlt sich seit ungefähr vierzig Jahren leider auch der Zypressenpilz recht wohl. Bei der letzten Bestandsaufnahme 1999 war fast ein Viertel der Bäume befallen, 515 Exemplare. Für den Rest bestand akute Ansteckungsgefahr; der berühmten Allee von Bolgheri schienen nur noch wenige Jahre zu bleiben. Und so erging Großalarm.   Nichts hatte bis dahin gegen Seiridium cardinale geholfen. Fungizide wurden versprüht und blieben praktisch wirkungslos. Zwischen den   Behandlungen war aus Geldknappheit und Ignoranz so viel Zeit verstrichen, dass der Pilz weiter vorrücken konnte. Ein paar Dutzend Bäume wurden entfernt und ersetzt, aber ein allzu radikaler Griff zur Axt verbot sich – und wurde von der Denkmalschutzbehörde untersagt: Wie nämlich sähe eine so berühmte Allee im Zahnlücken-Zustand aus?

Jetzt, nach gut zehn Jahren, sind nicht nur aufwendige Säuberungs- und Sanierungsarbeiten abgeschlossen. Die Forscher beim nationalen Institut für Pflanzenschutz in Florenz haben eine pilzresistente Zypresse gezüchtet, die von lokalen Medien als „perfekte Leistung der Gentechnologie“ gefeiert wird. Örtliche Politiker jubeln: „Jetzt haben wir für die nächsten hundert Jahre Ruhe.“

Die altehrwürdige Technik der Veredelung

Der Experte Roberto Danti hingegen sagt,   gentechnisch sei in Bolgheri gar nichts gebastelt worden. Die Klone verdankten sich vielmehr der ganz klassischen Züchtungsmethode – also dem Aussuchen gesunder, widerstandsfähige Bäume und deren ungeschlechtlicher Vermehrung. „Wir haben ein paar hundert Resistente gefunden, auffälligerweise besonders unter den Originalbäumen aus dem 19. Jahrhundert. Von den dreißig identischen Kopien, die wir angelegt haben, sind nach zehnjähriger Aufzucht und Beobachtung zwanzig übrig geblieben.“ Die sind mittlerweile patentiert und werden über die altehrwürdige Technik der Baumveredelung vermehrt. In drei bis fünf Jahren könnten sie höher als zwei Meter sein, die ersten von heute ungefähr 300 Lücken in der Allee ausfüllen und schrittweise in der ganzen Toskana die alten, anfälligen Sorten ersetzen.

Aber hat Bolgheri jetzt wirklich Ruhe für die nächsten hundert Jahre? Danti ist skeptisch: „Das Pilzproblem als solches können wir nicht lösen, schon gar nicht wenn die Winter weiterhin so mild sind wie dieses Jahr.“   Die Allee müsse Jahr für Jahr kontrolliert und der eine oder andere befallene Baum ausgetauscht werden. „Dafür braucht’s natürlich öffentliche Gelder. Und hier liegt ein großes Problem.“