Der Mann, der die 21-jährige Lena W. im September 2015 auf dem Stuttgarter Pragfriedhof erschlagen haben soll, ist laut dem Gutachter voll schuldfähig. Dabei weist der 30-Jährige eine „verheerende Biografie“ auf.

Stuttgart - Eigentlich sollte im Prozess um den gewaltsamen Tod der 21-jährigen Lena W. im September 2015 auf dem Pragfriedhof am Dienstag plädiert werden. Doch Jerome Bauer, Verteidiger des wegen Totschlags angeklagten Stephane V., wartete am Ende der Beweisaufnahme mit einer ganzen Reihe von Beweisanträgen auf.

 

Der 30-jährige Stephane V., mehrfach vorbestrafter Koch und Teilzeitpianist, soll Lena W. am späten Abend des 9. September vorigen Jahres auf dem Friedhof totgeschlagen haben – erst mit einem Tongefäß, dann mit Fäusten und Tritten. Der Angeklagte bestreitet die Tat. Ein mögliches Motiv ist in dem Prozess bis dato nicht genannt worden. Die junge Frau hatte eine Zeit lang bei dem 30-Jährigen gewohnt, soll aber keine Liebesbeziehung mit ihm unterhalten haben.

Blut auf Hemd und Schuhen

Verteidiger Bauer hat unter anderem die Anträge gestellt, man müsse nochmals den Todeszeitpunkt bestimmen, den Tatort in Augenschein nehmen und klarstellen, dass sich häufig unterschiedliche Gruppen nachts auf dem Pragfriedhof herumtreiben. Mit dem Ergebnis der Untersuchung des Hemds und der Schuhe, die der Angeklagte bei der Tat getragen haben soll, ist Bauer ebenfalls nicht zufrieden. Man hatte Blut des Opfers auf den Kleidungsstücken festgestellt. Allerdings müsste auf Hemd und Schuhen viel mehr als das letztlich festgestellte Blut sein, wenn der 30-Jährige Lena W. erschlagen haben soll, so der Verteidiger. Die Richter der 9. Strafkammer des Landgerichts haben alle Anträge abgelehnt.

Zuvor hatte der psychiatrische Gutachter dem Angeklagten eine volle strafrechtliche Verantwortlichkeit bescheinigt. Zwar weise Stephane V. eine kombinierte Persönlichkeitsstörung auf, die Ausfluss seiner „verheerenden Biografie“ sei. Trotzdem sei er voll schuldfähig – falls er die Tat denn begangen habe, so der Gutachter.

Mutter „kalt und hartherzig“

Stephane V. komme aus einer „höchstproblematischen Familie“. Seine Mutter habe nie eine emotionale Bindung zu ihm aufbauen können. Schon in frühester Jugend seien deshalb Verwahrlosungstendenzen aufgetreten. Seine Tante bezeichnet seine Mutter als „kalt und hartherzig“. Zehn Jahre verbrachte der Angeklagte im Heim. Nachdem er mehrmals Brände gelegt hatte, wurde er in die Psychiatrie eingewiesen. Zwar absolvierte er die Lehre zum Koch, wurde aber immer wieder straffällig. Seine Vita weist jedoch keine Gewaltdelikte auf.

Vor dem zweiten Prozesstag hatte der 30-Jährige in seiner Zelle Tabletten geschluckt und wurde auf die Intensivstation gebracht. Ob dieser Suizidversuch ernst zu nehmen war, ist unklar. Er besteht darauf, Lena W. nicht umgebracht zu haben. Er habe keinen Grund dafür gehabt.

Der Prozess wird am 11. April voraussichtlich mit den Plädoyers fortgesetzt.