Vor einem Jahr war eine 20-jährige Zeugin im NSU-Prozess überraschend verstorben, nun ist auch der Freund der Frau tot. Die Polizei geht von einer Selbsttötung des 31-Jährigen aus.

Karlsruhe/Stuttgart - Eine NSU-Zeugin stirbt im vergangenen Jahr und jetzt lebt auch ihr Freund nicht mehr. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe untersucht den Tod des 31-Jährigen, der am 8. Februar in Kraichtal (Kreis Karlsruhe) gestorben war. „Alles deutet auf einen Selbstmord hin“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Mittwoch. Die Suizidvermutung werde durch das vorläufige Obduktionsergebnis gestützt und außerdem untermauert durch eine „elektronische Nachricht“, die der Mann kurz vor seinem Tod abschickte. Mehrere Medien berichteten über den Fall.

 

Der Mann wurde in dem Haus gefunden, in dem er mit seiner Freundin bis zu ihrem überraschenden Tod gelebt hatte. Die 20-Jährige war an einer Lungenembolie gestorben. Zuvor war sie vom NSU-Ausschuss im baden-württembergischen Landtag vernommen worden, weil sie die Ex-Freundin des früheren Neonazis Florian H. war. Die junge Frau war in nicht-öffentlicher Sitzung befragt worden, weil sie sich bedroht gefühlt hatte. Florian H. hatte erklärt, er kenne die Mörder der Polizistin Michèle Kieswetter. Im Herbst 2013 war Florian H. in Stuttgart tot in seinem ausgebrannten Auto gefunden worden.

Die Ermittler gingen auch da von einem Suizid aus. Der Ausschuss soll die Verbindungen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) in den Südwesten und mögliches Behördenversagen untersuchen. Mit der Debatte über den Abschlussbericht beendet das Gremium an diesem Donnerstag seine Arbeit. Alle vier Fraktionen haben sich aber dafür ausgesprochen, einen zweites NSU-Ausschuss nach der Landtagswahl am 13. März einzurichten, da viele Fragen nicht abschließend behandelt werden konnten.

Staatsanwaltschaft sucht Motiv für mögliche Selbsttötung

Dem NSU werden zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Morde zur Last gelegt - an neun türkisch- und griechischstämmigen Männern und an der Polizistin Kiesewetter. Der Tod von Florian H. und seiner Ex-Freundin haben bereits für viele Spekulationen gesorgt.

Der Vorsitzende des NSU-Ausschusses, Wolfgang Drexler (SPD), sieht allerdings bislang keine Anlass dafür, die Suizid-Annahme zu den beiden Fällen in Zweifel zu ziehen. Auch ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bekräftigte am Mittwoch, die Diagnose der Lungenembolie bei der 20-Jährigen sei gesichert. Ausschusschef Drexler sagte, der Tod der Zeugin und ihres Verlobten seien „sehr tragisch“. Im Moment sehe er aber keinen Anlass, dass sich der nächste NSU-Ausschuss mit dem Tod des 31-Jährigen beschäftigen müsse. „Sollte sich aber die Notwendigkeit ergeben, die Todesermittlungsverfahren nochmal zu überprüfen, wäre das eine geeignete Möglichkeit.“

Die Staatsanwaltschaft will nun im Umfeld des 31-Jährigen fragen, welche Motive für seinen vermuteten Suizid eine Rolle gespielt haben könnten. Ob der Mann Verbindungen zur rechtsextremen Szene gehabt habe, sei bislang nicht bekannt. Mit dem endgültigen Obduktionsergebnis werde in einigen Wochen gerechnet.