Das Glücksspielgesetz verlangt, dass die staatliche Toto-Lotto GmbH die Zahl ihrer Annahmestellen im Land auf 3300 senkt. Das Problem: in vielen Orten könnten Spieler ihren Tippschein dann gar nicht mehr abgeben.

Stuttgart - Gerade mal fünf Wochen ist die frühere SPD-Gesundheitsstaatssekretärin Marion Caspers-Merk in ihrem Amt als Geschäftsführerin der Toto-Lotto-Gesellschaft des Landes. Eine Hundert-Tage-Einlernfrist scheint es bei ihr aber nicht zu geben, denn am Freitag ist Marion Caspers-Merk in Karlsruhe beim dortigen Regierungspräsidium mit einer Beschwerde vorstellig geworden.

 

Die nordbadische Behördenzentrale ist landesweit als Aufsicht über das Glücksspielwesen zuständig und nimmt diesen Auftrag ernst. Zu ernst, wie man bei Toto-Lotto in Stuttgart findet. Der baden-württembergische Glücksspielanbieter sieht sich im Vergleich zu den Gesellschaften anderer Länder strenger reglementiert. Werbeauflagen seien im Land schärfer als jenseits der Landesgrenzen. Auch beim Internetauftritt gebe es härtere Auflagen. Im Ergebnis seien die Spielumsätze der Stuttgarter Lotto-Gesellschaft stärker rückläufig als die anderer Landesgesellschaften. „Ich will keine Sonderregelungen“, sagt Caspers-Merk. „Ich möchte aber auch nicht schlechtergestellt werden als gewerbliche oder illegale Anbieter.“

Gesprächsbedarf mit der Aufsicht

Die Lotto-Chefin konstatiert „viel Gesprächsbedarf“ mit der Karlsruher Aufsicht. Am Freitag ging es konkret um das Thema Annahmestellen. Das seit November geltende Landesglücksspielgesetz schreibt vor, dass die Toto-Lotto GmbH zum 1. Juli dieses Jahres nur noch 3300 Annahmestellen unterhalten darf. Der Abbau schreitet voran. Derzeit sind noch 3322 Annahmestellen am Markt. Würde man die Fluktuation ausnutzen, wäre bereits im März oder April das Ziel erreicht, schätzt man.

Doch so einfach ist es nicht. Das, so sagen die Lotto-Leute, liege am Karlsruher Regierungspräsidium. Denn im Gesetz steht auch, dass sich „an der räumlichen Bevölkerungsstruktur zu orientieren“ habe, wie sich die Annahmestellen übers Land verteilen. So wird in ländlichen Gebieten je 3300 Einwohner mit einer Einnahmestelle gerechnet. Diesen Proporz gab es bisher nicht. Vielmehr hat sich Toto-Lotto an der Wirtschaftlichkeit von Annahmestellen orientiert. Im Kreis Tübingen zum Beispiel könnte man 20 Annahmestellen mehr einrichten, als es derzeit gibt. Doch ist die studentische Bevölkerung offenbar weniger spielfreudig, so dass sich diese Kioske nicht tragen würden.

Hundert Annahmestellen in Gefahr

Die 20 gewissermaßen freien Stellen auf andere Regionen zu übertragen, lasse die Aufsicht aber nicht zu, weil „sie strikt nach der Einwohnerzahl“ kalkuliert. In der Konsequenz käme man so auf weniger als die vom Gesetz verlangten 3300 Annahmestellen. In Stuttgart sieht man deswegen bis zu 100 Standorte gefährdet. „Ich habe selbst schon Gesetze gemacht und umgesetzt“, sagt Caspers-Merk. „Es gibt in jedem Gesetz einen Ermessensspielraum; den fordere ich ein.“ So müsse es möglich sein, die Bedeutung für die Infrastruktur zu berücksichtigen. Der Handel habe es ohnehin schwer. Wenn ein Schreibwarenladen das Lottogeschäft aufgeben müsse, könnte ihn das in ernste Schwierigkeiten stürzen. Insgesamt 500 Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. Schon haben sich Bürgermeister bei der Gesellschaft gemeldet, die für ihre Annahmestellen werben.

In Bad Wimpfen (Landkreis Heilbronn) ist das zum Thema geworden, in Todtmoos (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) oder in Meckenbeuren (Bodenseekreis) „Wir haben auch einen Infrastrukturauftrag in der Fläche“, sagt Caspers-Merk. Sie erwartet mehr Spielräume auch beim Ausgleich zwischen Ballungsräumen und ländlichen Regionen. In Neckarsulm etwa müssten die Audi-Beschäftigten in Betracht gezogen werden. In der Enklave Büsingen würde es nach der strengen Lesart überhaupt keine Annahmestelle geben können. „Sollen die dann mit dem Bus in die Schweiz fahren und dort spielen?“, fragt Caspers-Merk. „Wir wollen mehr Bewegungsfreiheit“, verlangt sie. „Die ist immer mit Verantwortung gekoppelt, und das nehmen wir auch ernst.“

Dabei haben die Kontrolleure in Karlsruhe keinen leichten Job. Eigentlich sind die Lizenzen der Annahmestellen zum 31. Dezember ausgelaufen. Bis zum 1. Mai sollen neue vergeben werden. 3300 Stück.