Der beste deutsche Rundfahrer wird bei den beiden Bergankünften in den Pyrenäen starker Vierter – und trotzdem geht Emanuel Buchmann nur im Sattel in die Offensive.

Foix - Es gibt Menschen, die lassen sich nicht gerne feiern. Denen es unangenehm ist, vor anderen gelobt zu werden. Die es einfach nicht mögen, im Mittelpunkt zu stehen. Emanuel Buchmann ist so ein Typ. Er liebt die Ruhe, die Zurückgezogenheit, das Private. Und tut bei der Tour de France doch zugleich alles dafür, dass der Rummel um seine Person so schnell nicht abnehmen wird. Auch nicht in seinem eigenen Team.

 

Ein paar Minuten nach der Bergankunft am Samstag auf dem Tourmalet saß Emanuel Buchmann (26) schon wieder auf dem Rad, hinter dem Teambus, der 3,5 Kilometer unterhalb des Gipfels parkte. Auf der Rolle versuchte der Ravensburger, sich die Strapazen der Etappe aus den Beinen zu strampeln. Um ihn herum standen zehn deutsche Journalisten, die nur die gewohnten Sätze zu hören bekamen: „Ich hatte gehofft, dass es so gut laufen würde. Ich war nie in Schwierigkeiten. Ich habe ein sehr gutes Gefühl. Ich bin richtig zufrieden.“ Dann stieß Gregor Mühlberger zur Gruppe. Und sprach mal so richtig Klartext.

Erst gratulierte der Österreicher seinem Bora-Teamkollegen überschwänglich zu dessen famoser Vorstellung und dem vierten Platz auf dem legendären Pyrenäen-Gipfel, dann erklärte Mühlberger voller Überzeugung, dass er in Buchmann einen künftigen Sieger der Frankreich-Rundfahrt sehe: „Es ist gewaltig, was er leistet. Man kann mit Emu definitiv die Tour de France gewinnen. Ich denke, er wird der nächste ganz große deutsche Star.“ Nur eine Frage ließ Mühlberger unbeantwortet – wann es soweit sein wird. Vielleicht schon im Sommer 2019?

Emanuel Buchmann fährt auf Augenhöhe mit den Besten

Nach den beiden Bergankünften auf dem Tourmalet und am Sonntag in Foix Prat d’Albis, die er nach zwei famosen Ausscheidungsrennen hinter den Siegern Thibaut Pinot und Simon Yates jeweils auf Rang vier beendete (noch vor Titelverteidiger Geraint Thomas), liegt Buchmann jedenfalls voll im Soll. Als einer der zehn Besten will er in Paris ankommen, aktuell ist er Sechster – in der spannendsten Tour seit langem. Buchmann hat 2:14 Minuten Rückstand auf Julian Alaphilippe, die fünf Verfolger des Spitzenreiters trennen nur Sekunden. Der Ravensburger möchte trotzdem an seinem ursprünglichen Vorhaben festhalten, was auch die offizielle Marschroute des Teams bleibt. Dessen Chef Ralph Denk sagte freilich auch: „Emu fährt auf Augenhöhe mit den Allerbesten, er ist absolute Weltspitze. Wir ändern nichts an unserem Ziel, allerdings ist die Tour völlig offen – es gibt fünf, sechs Leute, die am Ende gewinnen können.“ Ob Buchmann dazugehört? „Ich glaube nicht“, meinte Rennstall-Besitzer Denk mit einem Lächeln, „er wird dort bleiben, wo er jetzt ist.“

Es war eine Aussage, die natürlich auch dem Kalkül entsprang, den eigenen Topmann nicht noch mehr zu belasten. Doch wenn Buchmann so weiterfährt wie bisher, dann scheint vieles möglich zu sein – sogar ein Platz auf dem Podium. Und zugleich weiß natürlich auch der Teamchef, was dann auf seinen besten Rundfahrer zukäme: noch mehr Aufmerksamkeit, noch mehr Rummel, noch mehr Druck. Und zudem, wie bei Alaphilippe, die eine oder andere kritische Nachfrage.

Bei 1,81 Meter Körpergröße nur 60 Kilogramm

Auch Buchmann gehört zu den Radprofis, die extrem dürr sind und dennoch über erstaunliche Kraftreserven verfügen. Er misst 1,81 Meter und wiegt 60 Kilogramm, einen ähnlichen Körperbau weisen mittlerweile extrem viele Fahrer auf – weshalb auch bei dieser Tour ein heiß diskutiertes Thema ist, ob dies alles allein auf hartes Training und gesunde Ernährung zurückzuführen sein kann. Zumal die Gerüchte, dass sich verbotene Medikamente wie Aicar, die Fett fressen, ohne Leistung zu kosten, im Peloton weiterhin großer Beliebtheit erfreuen, zuletzt wieder lauter geworden sind. Wer Buchmann auf das Thema Doping anspricht, erhält eine klare Aussage: „Meine Gesundheit aufs Spiel zu setzen – für was sollte ich das tun?“

Auch Teamchef Denk wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass sich Buchmann kontinuierlich entwickelt habe. Schritt für Schritt. Und dass er sich in diesem Jahr voll auf das wichtigste Rennen fokussiert hat – im Gegensatz zum Beispiel zu Alaphilippe, der schon die gesamte Saison Vollgas gebe. „Emu kam 2015 mit uns als Nobody zur Tour“, sagte Denk am Wochenende noch einmal, „seither hat er einen stetigen Prozess durchgemacht. Er ist gewachsen, auch als Persönlichkeit.“

Auf den beiden spektakulären Etappen in den Pyrenäen hat Buchmann nun eine Leistung gezeigt, wie sie im Hochgebirge seit langer Zeit von keinem deutschen Radprofi mehr zu sehen war. Was ihn selbst allerdings – auch angesichts der Herausforderungen, die in den Alpen noch anstehen – keineswegs dazu veranlasst hat, auch nur eine Spur emotionaler zu werden. „Feiern“, sagte er lediglich, „feiern kann ich am Ende in Paris.“

Eine sehr gute Platzierung – oder vielleicht sogar mehr? Noch ist alles offen.