Was für ein Soloritt! Lennard Kämna hat es endlich geschafft und rast in Villard-de-Lans zu seinem ersten Etappensieg bei der Tour de France. Womöglich ist es für den Hochbegabten der Startschuss für eine große Karriere.

Villard-de-Lans - Als Lennard Kämna im Schatten der traumhaften Alpenriesen auf das Podium kletterte, war sein breites Grinsen sogar hinter der schwarzen Maske zu erkennen. Noch etwas schüchtern hielt er den rot-gelben Blumenstrauß in die Höhe. Wenige Minuten zuvor hatte er in 1152 Metern Höhe seinen Gefühlen noch freien Lauf gelassen und seine Freude herausgeschrien. „Ich kann es noch gar nicht glauben. Das ist ein wunderbarer Tag für mich, einfach großartig. Das bedeutet unglaublich viel für mich“, sagte Kämna, nachdem er auf der Skistation Villard-de-Lans am Ziel seiner Träume angelangt und zu seinem ersten Etappensieg bei der Tour de France gerast war.

 

Der Hochbegabte auf dem Rad hat es endlich geschafft, im x-ten Anlauf holte sich der 24-Jährige am Dienstag nach einer cleveren Attacke 20 Kilometer vor dem Ziel seinen ersten Etappensieg bei der Tour de France. „Das ist eine große Erleichterung. Wir hatten so viele Rückschläge. Ich bin auf der letzten Kuppe All in gegangen. Ich wusste, dass mich auf der Abfahrt keiner mehr einholt“, fügte Kämna hinzu. Nach einem schier unglaublichen Soloritt breitete Lennard Kämna überglücklich im Ziel die Arme aus, klopfte sich auf die Brust und schüttelte ungläubig den Kopf.

Nachfolger von Degenkolb

Diesmal ließ er sich nicht mehr austricksen. Kämna triumphierte auf dem 16. Teilstück von La Tour-du-Pin nach Villard-de-Lans vor dem Giro d’Italia-Champion Richard Carapaz und sorgte für den ersten deutschen Etappensieg seit John Degenkolb vor zwei Jahren in Roubaix.

Kämna war diesmal voll auf der Höhe, nachdem er am Puy Mary vier Tage zuvor noch vom cleveren Kolumbianer Daniel Martinez übersprintet worden war. Am vorletzten Anstieg setzte Kämna die entscheidende Attacke. Danach spielte er seine Zeitfahrqualitäten aus und fuhr dem Kletterspezialisten aus Ecuador mit Leichtigkeit davon, während sich die Top-Favoriten um Gelbträger Primoz Roglic einen ruhigen Tag gönnten.

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Einer der ersten Gratulanten war Simon Geschke, der 2015 in Pra-Loup für den letzten deutschen Erfolg auf einer Tour-Bergetappe gesorgt hatte. „Er ist ein superstarker Fahrer, extrem jung. Hut ab“, sagte Geschke, der anfangs mit Kämna in der Ausreißergruppe war: „Ich habe ihm gesagt: Heute ist dein Tag.“

Womöglich ist in dem Wintersportort nun der Stern von Kämna so richtig aufgegangen. Dem früheren Junioren-Weltmeister trauen die Experten eine Menge zu, womöglich sogar irgendwann den Toursieg. „Ob ich da persönlich jemals hinkommen werde, steht in den Sternen. Man kann nie sagen, ich werde mal gut genug sein, um die Tour zu gewinnen: Es wäre schwachsinnig, das zu behaupten. Das kann auch nicht jeder“, sagte der Youngster.

Sieg mit Ansage

Der Coup am Dienstag war aber ein Sieg mit Ansage, schon am Ruhetag hatte der Norddeutsche sich diese 16. Etappe ausgeguckt. „Jedes Mal in einer Ausreißergruppe kommen neue Erfahrungen dazu. Es ist immer ein Pokerspiel. Ich habe das Gefühl, dass ich darin besser werde“, sagte Kämna, der für den insgesamt 92. deutschen Etappenerfolg bei der Tour gesorgt hatte. Auch für sein Bora-hansgrohe-Team war es nach den Enttäuschungen der letzten Tage eine große Erleichterung.

Die Favoriten rollten mit fast 17 Minuten Rückstand ins Ziel. In der Gesamtwertung blieb alles beim Alten. Gelbträger Primoz Roglic liegt weiter 40 Sekunden vor seinem slowenischen Landsmann Tadej Pogacar. Kräfte schonen war angesagt vor der Königsetappe am Mittwoch zum 2304 Meter hohen Col de la Loze hinauf. Titelverteidiger Egan Bernal verlor erneut den Anschluss zu den Favoriten - womöglich auch aus Kalkül. Das steigert die Chancen des Kolumbianers auf einen Etappensieg in den nächsten Tagen.

Hygienekonzept funktioniert

Einem spannenden Finale steht nichts mehr im Weg. Alle rund um den zweiten Ruhetag durchgeführten 785 Kontrollen auf das Virus waren negativ. Damit können alle 22 Teams die Reise nach Paris fortsetzen. Bis zur Schlussetappe am Sonntag sind keine weiteren Tests mehr vorgesehen. „Besser geht es nicht. Das Konzept funktioniert sehr gut. Ich bin zufrieden, dass niemand positiv getestet wurde“, sagte Kämna.

Auch Tour-Chef Christian Prudhomme saß nach einer Woche Quarantäne wieder im roten Auto der Tour-Organisation mit der Nummer eins. Der 59-Jährige ist negativ auf das Virus getestet worden, nachdem es am ersten Ruhetag noch ein auffälliges Ergebnis bei ihm gegeben hatte.

Am Mittwoch wird die Tour mit der Königsetappe fortgesetzt. Am Ende des 170 Kilometer langen Teilstücks mit Start in Grenoble steht die Kletterpartie zum 2304 Meter hohen Col de la Loze an. Der Anstieg der höchsten Kategorie weist auf 21,5 Kilometer eine durchschnittliche Steigung von 7,8 Prozent auf und bildet das Dach der Tour.