Die Radtour durch den Kreis Böblingen ist nichts für Unsportliche. Aber die Anstrengungen lohnen sich – man kann von der Strecke zwischen dem Schloss Dätzingen und Deufringen aus auf die Alb und in den Schwarzwald gucken.

Böblingen: Carola Stadtmüller (cas)

Kreis Böblingen - Auf dem Höhenrücken zwischen Dätzingen und Deufringen (Kreis Böblingen) steht ein markantes Hinweisschild, das ein bisschen an die Schildertannenbäume am Nordkap oder anderen „Da-muss-man-mal-gewesen-sein-Orten“ erinnert, nur eben kleiner. Geradeaus weist es nach Deufringen, links hinunter nach Lehensweiler und in den Oberschenkeln steckt Dätzingen. Es drängt sich an dieser Stelle der Gedanke auf: zwischen dem Schloss Dätzingen und Deufringen hätte man das Rad auch schieben können. Aber wer will sich solch eine Blöße schon geben – zumal dieser Erkenntnis eine spektakuläre Aussicht folgt: der Blick reicht bis zur Alb. Zum ersten Mal, aber bei Weitem nicht zum letzten Mal stellt sich auf der Radeltour zwischen Magstadt und Gärtingen das Gefühl ein: schön, aber schweißtreibend.

 

Aber zurück zum gemütlichen Start in Magstadt. Dorthin kann der Radler seit dem vergangenen Dezember ganz bequem auf den Gleisen der S 60 anrollen. Man steigt entweder in Sindelfingen oder in Renningen zu. In letzterem Fall funktioniert das Umsteigen am Bahnhof perfekt: aus der S 6 raushüpfen, Drehung um 180 Grad und in die S 60, die bereits wartet, einsteigen. Das ist öffentlicher Personennahverkehr, wie er sein soll – und 7000 Pendler nutzen die Verbindung täglich. Den Pendlern wird der Weg über den Hauptbahnhof erspart. Neu ist aber nicht nur diese Strecke – überall in dieser Ecke des Kreises Böblingen wird gerade gebaut und gebuddelt: die Bundesstraße 464 wird fertig gestellt und bald an die B 295 bei Renningen angeschlossen; etliche Wege und Stiegen führen daher noch ins Nichts, was durchaus beachtet werden sollte. Eigentlich sollte die Tour 33 Kilometer lang sein, manchmal dauert sie aber auch länger, je nach Umwegen und Sackgassen.

Achtung: nicht verfahren!

Nun nutzt es den Nachradlern nicht viel, wenn sie jetzt lesen, dass zu Beginn der Tour viele Wege nicht zum Ziel führen. Daher ein Tipp: man muss den Ihinger Hof – den Versuchsbauernhof der Universität Hohenheim – rechts liegen lassen und den Magstadter Steinbruch links liegen lassen, dann führen etliche Feldwege Richtung Fuhrmannhöfe. Sieht der Radler diese, weiß er: da soll ich sein. Orientieren kann man sich vom Aussiedlerhof an auch an den kleinen Hinweisschildern der Radwanderroute Nahtour, die den Radler schließlich hintunter nach Döffingen führt. Kurz vor dem Ortsschild liegt auf der linken Seite das Ulrichsdenkmal, der rote Sandstein erinnert an den hier am 23. August 1388 gefallenen Grafen Ulrich von Württemberg.

Einen Überblick über alle Touren gibt die interaktive Karte:

Dann folgt eben jener Aufstieg, der die Tour zumindest für unsportliche Radler(innen) zur Tortur werden lässt. Nun gut, von Blut, Schweiß und Tränen soll an dieser Stelle nicht die Rede sein, aber angesichts eines Kompagnons an der Seite, der nicht einmal schnauft, ist die Demut groß. Thomas Kappler vom Verkehrsverbund Stuttgart sagt nur trocken: „Ein bisschen schwitze ich aber auch.“ Der Mann, der beim VVS für die richtigen Zeitpläne bei den Fahrplanwechseln zuständig ist, genießt unterm Jahr auf seinem Drahtesel kleine Feierabendtouren von 60 Kilometern. Der Gentleman lächelt und wartet.

Spektakuläre Aussichten

Die Tour führt weiter durch Deufringen und das kleine Dachtel, das von idyllischen Heidehängen gesäumt ist, und mündet ins Schnepfental. Wieder so ein irreführender Begriff: Tal. Gut, wer ein Tal von der falschen Seite befährt, muss eben bergauf. Wäre man eine Schnepfe, würde man die herrliche Natur wohl ganz ungetrübt genießen. Tatsächlich endet hier die Zivilisation. Im Schnepfental gibt es gewiss auch Füchse und Hasen, die sich eine gute Nacht wünschen. Und immerhin, den Radler erwartet nach der Anstrengung eine Belohnung: Bauernhofeis vom Haselstaller Hof.

Weiter geht es parallel zur Bundesstraße 296 Richtung Deckenpfronn und damit zum erholsameren Teil der Radreise – es geht endlich mal nicht sanft bergauf, sondern bergab, und auch der Gegenwind macht damit Pause. Deckenpfronn lässt man rechts liegen, bleibt parallel zur Bundesstraße und kommt wieder zu einem spektakulären Aussichtspunkt. Man sieht auf der einen Seite bis zur Alb und auf der anderen bis zum Hohenzollern, der Radler selbst steht 600 Meter über dem Meeresspiegel und freut sich, dass er es geschafft hat. Was dann kommt, ist ebenfalls Genuss: durch einen herrlichen Mischwald führt der Weg hinunter nach Gärtringen. Immer wieder blinzelt die Sonne, sofern sie in diesem Jahr mal scheint, durchs Blätterdach und versüßt die Abfahrt zusätzlich. In Gärtringen kann man entweder in die S 1 einsteigen – oder wie Thomas Kappler gemütlich wieder Richtung Stuttgart radeln. Damit ist auch das Feierabendpensum von60 Kilometern erreicht.

Fazit: diese Tour ist nichts für Familien mit kleinen Kindern, es sei denn, sie sind auf einem Fahrrad geboren. Und sie ist nichts für Unsportliche, es sei denn, sie stehen auf Muskelkater. Trotzdem lohnt sie sich. Die Natur rührt alle Sinne an, was natürlich nicht zuletzt an den vielen Bergen und Tälern liegt (es soll doch noch ein letztes Mal erwähnt werden). Und die Fernblicke sind zum Schweigen schön.