Auf dem Weg Glaubenszentren von Korntal nach Mühlhausen geht es bergauf und bergab durch Weinberge, Wälder und vorbei an Konsumtempeln.

Stuttgart - Da haben sich welche gefunden. „Ich bin keine Orientierungskünstlerin“, bekennt die Radelpartnerin zum Beginn der Tour. So sind wir schon zwei. Vor allem auf dem ersten Drittel unseres Radwegs von Korntal über die verborgene Schlosskapelle auf der Solitude zur Stuttgarter Innenstadt bis zur Veitskapelle in Mühlhausen-Mönchfeld drehen wir deshalb einige Ehrenrunden. Wer mit Weile ohne Eile unterwegs ist, schafft die 32 Kilometer lange Strecke aber bequem in vier Stunden. Stramme Waden helfen anfangs, weil es knapp 200 Höhenmeter zu überwinden gilt. Allerdings ist der Anstieg kein steiler und damit auch für Gelegenheitsradler keine große Affäre.

 

Wir beginnen in Korntal am Großen Saal der Evangelischen Brüdergemeinde, die Korntal im Jahr 1819 gegründet hat. Die Pietisten in Württemberg hatten damals, in Zeiten der Aufklärung, keinen leichten Stand. Unter König Friedrich II. wanderten so viele aus, dass sein Nachfolger Wilhelm I. einem Vorschlag des Leonberger Bürgermeisters Gottlieb Wilhelm Hoffmann folgte und eine Fundationsurkunde unterzeichnete, wonach sich in Korntal Familien aus Württemberg niederlassen und in ihrer Religionsausübung frei sein sollten. 68 Familien begründeten damals das neue, religiöse Gemeinwesen im Strohgäu. 1400 Mitglieder zählt die Brüdergemeinde heute, und das vor fünf Jahren eingeweihte neue Glaubenszentrum in der Innenstadt macht deutlich, welchen Stellenwert die Religion in Korntal immer noch genießt: Sie steht im Mittelpunkt.

Ab in den Süden geht es kurz über die Solitudeallee, auf der einst Friedrich Schiller zusammen mit seinem Herrn Papa schnurstracks von Ludwigsburg zum Schloss Solitude wanderte: Die 13 Kilometer lange Straße ist eine perfekte Gerade. Wir biegen aber gleich wieder links ab in die Tachenbergstraße in Richtung Weilimdorf. Hinter der Maierwaldstraße verpassen wir einen Abzweig nach rechts und landen in den Horner Weinbergen – was uns eine Plauderrunde mit einem freundlichen Seniorwengerter und einen durchaus lohnenden Abstecher zur griechisch-orthodoxen Kirche in Feuerbach beschert. Zurück auf der Strecke führt uns der Schützenhausweg durchs Lindental. Im Wald geht es dann schließlich bergauf.

Das Versteckspiel hat seinen Grund

Den Steilen Stich, den Teufelsbrückweg und das Finstre Wegle können wir – gottlob! – links liegen lassen. Wir steuern geradewegs zum Schloss Solitude, genießen den Ausblick und suchen die Schlosskapelle. Das Kirchlein liegt etwas versteckt, an der Schranke zum Schlossgelände führen einige Treppenstufen links hinunter zu dem Gotteshaus, das dann rechter Hand hinter einer Glastür verborgen liegt. Das Versteckspiel hat seinen Grund. Im protestantischen Württemberg durfte der katholische Herzog Carl Eugen keine von außen gut erkennbare katholische Kirche bauen. Das Innere ließ er umso prächtiger gestalten. Das ovale Deckengemälde des Hofmalers Nicolas Duibal aus dem Jahr 1766 zeigt die Auferstehung Christi. Der Herzog hatte einen direkten Zugang zur Kapelle. Von seiner Wohnung aus konnte er die Loge betreten. Heute werden in dem Kirchlein jeden Sonntag um 9 Uhr evangelische Gottesdienste gefeiert, auch Hochzeiten sind dort möglich. Schon seit 20 Jahren finden außerdem bis Ende Oktober um jeweils 17 Uhr die sonntäglichen Soiréen statt. Das Programm findet man im Internet unter www.solitude-soiree.de.

Danach müssen wir die Wildparkstraße queren, tauchen aber schnell ein in den Rotwildpark. Am Bärenschlössle fordert nach Seele und Geist der Bauch sein Recht. Wir vespern. Dann rollen uns unsere Räder praktisch von selber über die Schlösslesallee den Hasenberg hinunter in den Trubel der Stadt. Die Strecke führt über die Münzstraße zur Planie, aber wir fahren lieber über den Marktplatz vor zur Kirchstraße zur Stiftskirche von 1531, der ältesten evangelischen Kirche der Stadt Stuttgart und dem einzigen erhaltenen Bauwerk der Stauferzeit in Stuttgart. Von dort ist es übrigens auch nicht weit zur Büchsenstraße, wo kürzlich das evangelische Bibelmuseum eröffnet worden ist.

Dann geht es durch den Schlossgarten am Leuze vorbei durch Bad Cannstatt. Wir radeln am Neckar entlang und haben am Max-Eyth-See schon fast wieder vergessen, dass wir in einer Großstadt unterwegs sind, umgeben von Weinbergen, Vogelgezwitscher und Segelboote. Unser Weg endet an der Veitskapelle in Mühlhausen, die als die kunsthistorisch bedeutendste Kirche Stuttgarts gilt. Im Inneren des 1380 fertiggestellten Gotteshauses gibt es Wandgemälde aus dem 15. Jahrhundert zu bestaunen. Zwischen Ostern und Erntedank ist die Kirche dienstags und sonntags von 14 bis 16.30 Uhr geöffnet. Kirchenführungen für Gruppen können vereinbart werden, Rufnummer: 07 11/ 53 2 3 13. Oder man setzt sich einfach auf das Bänkle vor der Kirche und lauscht dem Plätschern des Brunnens.