Auf der Strecke geht es durch iyllische Wiesen und Wälder trotzen die Pedaleure dem Wetter. Sie werden beim Ausblick vom Herrenberger Schlossberg belohnt.

Renningen - Kaum ein Mensch ist an diesem Morgen am Renninger Bahnhof, nur wenige huschen mit Regenschirmen vorbei oder haben Kapuzen weit über den Kopf gezogen. Ob die Radtour ins Wasser fällt? Dann trifft Thomas Knöller vom Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) ein. Und schließlich hastet der Böblinger Landrat Roland Bernhard herbei, in kurzen Hosen. Er will sich doch noch umziehen und eilt dafür ins Bahnhofsgebäude. Um 10.30 Uhr soll es losgehen – doch wo sind die anderen der Gruppe?

 

„Mein Finanzdezernent hat abgesagt“, eröffnet der Landrat die Unterhaltung. Und Knöller überbringt dieselbe Kunde von einem seiner Kollegen. Immerhin: wir starten tatsächlich – als unverdrossene Pedaleure.

Die Hosen sind klatschnass

Zuerst heißt es eigentlich nur: Augen zu und durch. Es regnet etwas stärker. Nach nur wenigen Metern sind die Hosen klatschnass, wenigstens die Jacken halten einiges ab. „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“, gibt Bernhard zum Besten. Es geht am Sportpark Renningen vorbei, über saftig grüne und triefend nasse Wiesen erreichen wir die Bahnunterführung von Malmsheim und durchqueren eine beschauliche Villengegend. Knöller macht mit seinem Tourenrad das Tempo.

Bei Tempo 25 entfällt beim E-Rad die Unterstützung

Und als hätten wir es uns verdient: nach etwa einer Dreiviertelstunde teilen Sonnenstrahlen die Wolkendecke. Eine kurze, heftige Steigung gibt es hinter Malmsheim. Sie macht uns nichts aus, denn der Landrat und ich sind mit Pedelecs ausgestattet – die in der Handhabung im Übrigen völlig unproblematisch sind.

Hin und wieder scheint die rasante Fahrt aber etwas zu behindern, obwohl keiner die Bremse betätigt. Später klärt Knöller auf: „Die elektronische Steuerung schaltet bei Tempo 25 die Unterstützung durch den Motor aus.“ Dann heißt es eben: mit Muskelkraft weiterstrampeln.

Weil der Stadt ist schnell erreicht, über Kopfsteinpflaster geht es durch die Altstadt, bei besserem Wetter böte sich dort eine Rast an. Wenig später biegen wir zur Würm ab, die wieder in ihre natürlichen Bahnen gelenkt worden ist und vor sich hinmäandert – gut für die Tierwelt und für den Hochwasserschutz. Die Landschaft am Käppelesberg: eine Idylle.

Die Würm mäandert wieder

In Grafenau-Dätzingen an der Wiesengrundhalle ist der Treffpunkt mit dem Fotografen verabredet. Die Beinkleider sind fast wieder trocken, als die Tour weitergeht, vorbei am Waldrand von Aidlingen. Jetzt wird es warm – der Spaß beginnt.

Am Ende ist der nasse Start vergessen

In den Krebsbachauen von Rohrau steht noch die alte Entlackungsfabrik, die ihren Firmenhauptsitz nun in Sulz am Neckar (Kreis Rottweil) hat. Mehr als 30 Jahre lang hat ein Rohrauer Verein gegen die Chemiefirma gekämpft, die gegen Umweltvorschriften verstieß. „Wir mussten immer wieder gegen sie vorgehen“, erzählt der Landrat Bernhard. Was nun mit dem Gelände passiert, ist allerdings offen.

Gegen Mittag erreichen wir die moderaten Steigungen am waldreichen Herrenberger Schlossberg, wo sich immer wieder ein Panoramablick auf das Gäu auftut. Schneller als erwartet sind wir in der Herrenberger Altstadt auf dem historischen Marktplatz. Im Jahr 1276 wurde er erstmals urkundlich erwähnt. Die Gebäude entstanden alle nach dem zweiten großen Stadtbrand im Jahr 1635. Sie weisen besonders schöne Fachwerkmotive auf. Oben am Markt befindet sich das Rathaus, 1806 als klassizistischer Bau mit verputztem Fachwerk erstellt. Der finale Höhepunkt der Tour lädt zum Verweilen ein. „Das ist eine Strecke, wofür man nicht unbedingt ein Pedelec braucht“, kommentiert der sichtlich entspannte Landrat die zurückgelegten 35 Kilometer. Vergessen ist der nasse Start.