Anderthalb Wochen lang war Thomas Becker mit seinem E-Bike plus Anhänger unterwegs, um Schokolade und Rum emissionsarm nach Stuttgart zu bringen. Was hinter der Aktion steckt – und wo es das Ganze nun zu kaufen gibt.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Am unglaublichsten an der ganzen Geschichte ist eigentlich: Während seiner anderthalb Wochen dauernden Radtour von Amsterdam nach Stuttgart hat Thomas Becker nicht ein einziges Stück Schokolade selbst genascht und auch keinen einzigen Schluck Rum getrunken. Nein, die 30 Kilo Schokolade plus die zehn Liter Rum sind völlig unangetastet im Bioladen Plattsalat in Stuttgart-West angekommen. Und das bedeutet: Dort kann nun die wohl emissionsärmste Schokolade Stuttgarts gekauft werden. Denn auch der Biokakao wurde klimafreundlich transportiert: mit einem Segelschiff aus der Karibik bis nach Amsterdam, wo die Schokotafeln dann produziert wurden.

 

„Eigentlich ist das Bildungsarbeit, was wir machen“, sagt Thomas Becker über die sogenannte Schokofahrt. Seit mehreren Jahren beteiligt sich der 58-jährige Agraringenieur aus Stuttgart an der privaten Aktion, um Schokolade möglichst CO2-neutral zu transportieren. Zweimal pro Jahr kommen Radfahrer nach Amsterdam und laden die Waren von dem zum Segelboot umgebauten ehemaligen Kriegskutter namens Tres Hombres auf ihre Lastenräder und E-Bikes. Mit der Ware fahren sie dann entweder direkt in ihre Heimat oder an einen Übergabeort, wo der nächste Radfahrer sie entgegennimmt – ähnlich wie bei einem Staffellauf. Aus der anfangs winzigen Aktion ist inzwischen etwas Großes geworden. Zwei Tonnen Schokolade wurden seit Ostern von rund 200 Radfahrern weitertransportiert plus etliche Flaschen Rum sowie etwas spanischer Fisch.

Nebel, Regen, Kälte – kein Vergnügen im Zelt

Thomas Becker ist pro Tag zwischen 80 und 120 Kilometer mit seinem E-Bike mit Anhänger geradelt, geschlafen hat er auf Campingplätzen im Zelt. Und obwohl er bereits mit Mitte 20 sein Auto abgeschafft hat und seitdem so gut wie alles mit dem Rad macht, kam er bei der Schokofahrt an seine Grenzen. Denn das Aprilwetter zeigte sich von seiner unschönen Seite – und irgendwann halfen auch Regenhose, Schuhüberzieher und die wärmsten Kleider nicht mehr. Wenn er morgens in seinem Schlafsack aufwachte, lag die Temperatur oft kaum über 0 Grad, es war neblig und feucht. Und manchmal kämpfte er stundenlang gegen Gegenwind: „Wenn die Windrichtung falsch war, kam ich mit dem ganzen Gewicht nicht über acht Kilometer pro Stunde.“

Dazu muss man wissen: Thomas Becker ist zwar ein großer, aber sehr schlanker und sportlicher Mann. Doch zu den 40 Kilo Schokolade und Rum sowie den zwei Akkus fürs E-Bike kam auch noch das normale Fahrradreisegepäck hinzu, also Zelt, Isomatte, Schlafsack, warme Kleider, Regenschutz, Flickzeug. „Da spürt man jeden Anstieg.“ Trotzdem wollte er nicht den leichtesten Weg nehmen, also dem Rhein folgen. Nein, er fuhr an der Küste Hollands entlang, dann folgte er dem Fluss Maas und radelte über Luxemburg und Trier auf alten Bahntrassen. „In Mainz bin ich dann bis Stuttgart in den Zug gestiegen, weil ich keine Lust mehr hatte auf Zelten bei null Grad“, gibt er zu.

Preiswert ist die Schokolade nicht

Gekauft werden kann die emissionsarme Schokolade nur bei dem von einem Verein getragenen Plattsalat West an der Gutenbergstraße in Stuttgart. Eine 80-Gramm-Tafel kostet 3,43 Euro für Vereinsmitglieder, 4,07 Euro für „normale“ Einkäufer. Thomas Becker ist einer der ehrenamtlichen Geschäftsführer des Plattsalats. „Früher hatten auch Weltläden in Stuttgart unsere Tafeln“, sagt er. Doch um diese wieder beliefern zu können, bräuchte es mehr Radfahrer aus Stuttgart, die Lust auf die Aktion hätten. Nur so viel: Der nächste Abholtag für die Schokofahrt ist am 30. September in Amsterdam.

Dass die Termine im Frühjahr und im Herbst liegen, ist freilich Absicht. Zwar wäre das Wetter im Juni, Juli oder August deutlich angenehmer für die Radfahrer – aber wer isst schon gerne Schokolade, die schon ein- oder gar mehrfach geschmolzen ist?