Für Städtereisende ist Barcelona ein beliebtes Ziel. Doch den Bewohnern wird es zu viel. In der Kritik stehen vor allem Kreuzfahrturlauber.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Barcelona - ls im Juni vergangenen Jahres die „Harmony of the Seas“ im Hafen von Barcelona ankerte, staunte ganz Spanien über das kurz zuvor fertiggestellte Kreuzfahrtschiff: das größte der Welt. Bis zu 6780 Passagiere haben darin Platz, außerdem noch 2300 Crewmitglieder. Eine schwimmende Kleinstadt mit Kasino, Theater, 20 Restaurants, vier Schwimmbädern und drei Riesenrutschen. Die Umweltinitiative Ecologistas en Acción war dagegen gar nicht beeindruckt. Sie organisierte eine Demonstration am Hafen, um das Schiff „für immer zu verabschieden“. Die Kreuzfahrtriesen wie die „Harmony of the Seas“ seien ein Desaster fürs Meer, für die Atmosphäre und für die Städte, in denen sie haltmachten.

 

Aus Barcelona kommen in jüngster Zeit immer wieder solche Nachrichten: Die ganze Stadt scheint sich im Aufruhr gegen den Tourismus zu befinden. Gegen illegale Ferienapartments, gegen neue Hotelprojekte, gegen lautstarke Nachtschwärmer und halb nackte Barbesucher, gegen die endlosen Schlangen vor der Sagrada Familia und die Souvenirshops an der Rambla. Die Touristen machen die Stadt kaputt, und die Kreuzfahrttouristen sind die schlimmsten.

Zur Beruhigung aller, die nach Barcelona reisen wollen: Die Einheimischen wissen ihre Besucher durchaus zu schätzen. Die Stadtverwaltung lässt ihre Bürger regelmäßig befragen, wie sie es mit den Touristen halten. 86,7 Prozent finden, dass sie der Stadt nützen. Neu ist allerdings, dass mittlerweile knapp die Hälfte der Einwohner meint, es sollten nun, nach jahrelangem Wachstum, nicht noch immer mehr werden.

In Zukunft werden noch mehr Kreuzfahrttouristen nach Barcelona kommen

Rund neun Millionen Menschen haben 2015 die 1,6-Millionen-Einwohner-Stadt besucht und dort mindestens eine Nacht im Hotel verbracht – das sind den Einheimischen die liebsten, denn sie lassen mehr Geld in der Stadt als die Tagesbesucher. Von denen kommen die meisten aus den Ferienorten an der Costa Brava nach Barcelona. Und dann sind da noch die Kreuzfahrtschiffe: Die überfluteten Barcelona im vergangenen Jahr mit knapp 2,7 Millionen Passagieren. In keinem anderen europäischen Hafen machen so viele Schiffsausflügler Station. Und es sieht nicht danach aus, als würden es in Zukunft weniger werden. Die Mediterranean Shipping Company (MSC) hat gerade den Bau eines neuen – des siebten – Kreuzfahrtterminals im Hafen von Barcelona angekündigt. Ist das gut oder schlecht für die katalanische Hauptstadt? „Unser Tourismus ist sehr sauber und bereichert die Stadt, die wir besuchen“, sagt Fernando Pacheco von MSC Cruceros España. Schließlich geben die Kreuzfahrtpassagiere vor Ort Geld aus, zum Beispiel für Ausflüge, Transport, Essen oder Museen.

Die Hafenbehörde von Barcelona beziffert den Umsatz, für den die Kreuzfahrtschiffe in der Stadt sorgen, auf 800 Millionen Euro im Jahr. Und das, obwohl gut die Hälfte der Passagiere nur etwas mehr als vier Stunden in der Stadt verbringen. Die Schiffe sind gewaltige Touristenpumpen, die ihre Passagiere tausendfach ausstoßen, um sie kurz darauf wieder anzusaugen.

Barcelona hat gegenüber ebenfalls von Touristen eher geplagten denn gesegneten Orten wie Venedig oder Dubrovnik den Vorzug, dass die Stadt größer ist und sich die Massen besser verteilen. Außerdem wählen immer mehr Kreuzfahrtgesellschaften Barcelona zum Start-und-Ziel-Ort ihrer Routen, was ihren Passagieren alle Zeit gibt, die sie sich nehmen wollen, um die Stadt vor Beginn oder nach Ende der Reise genauer kennenzulernen. Immerhin 58 Prozent aller Kreuzfahrttouristen, die Barcelona betreten, tun es, um hier zu ihrer Schiffsreise aufzubrechen. Und schließlich steuern immer mehr Schiffe Barcelona außerhalb der Hochsaison an, wenn die Stadt weniger überlaufen ist.

Kritiker halten die riesigen Schiffe für „Dreckschleudern“

Kritiker wie Ecologistas en Acción sind trotzdem nicht vom Nutzen der Kreuzfahrten für Stadt, Meer und Luft überzeugt. Vor allem, weil die riesigen Schiffe Dreckschleudern sind. Bestrebungen, die Motoren mit weniger kontaminierendem Marinediesel zu betreiben oder zumindest während der Liegezeit im Hafen Flüssiggas (LNG) zu verbrennen – sofern dieses vom Hafen zur Verfügung gestellt werden kann –, stehen erst am Anfang. Die Proteste werden weitergehen. Und die Schiffe werden weiter kommen.