Die vergangenen zwanzig Jahre haben den Tourismus in Baden-Württemberg auf den Kopf gestellt: im Schwarzwald sterben Hotels und die Region Stuttgart boomt wie nie. Andreas Braun von Tourismus BW kennt die Gründe dafür.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Im BW Atlas können Leser Baden-Württemberg-Daten interaktiv erkunden – unter anderem zum Thema Tourismus, und zwar über die vergangenen zwanzig Jahre.

 

Wer sich da durchklickt, entdeckt unter anderem einen wahren Tourismusboom in der Region Stuttgart, ein Hotelsterben im Schwarzwald und einen starken Trend zu immer kürzeren Aufenthalten. Jan Georg Plavec lässt sich diese und andere Entwicklungen im Interview von Andreas Braun erklären. Der Geschäftsführer der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg berichtet außerdem von eigenen Marktforschungen, die in der amtlichen Statistik nicht auftauchen.

Herr Braun, unser BW Atlas dokumentiert einen gewaltigen Strukturwandel im Tourismus. Im Schwarzwald zum Beispiel könnte man von einem regelrechten Hotelsterben sprechen.
Natürlich verschwinden immer wieder Betriebe. Manche, weil sie Trends verschlafen haben - dann kann man von Gesundschrumpfung sprechen. Andere Häuser schließen, weil es keine Nachfolge gibt. Das hat vor Ort natürlich schwerwiegende Konsequenzen, wenn beispielsweise das letzte Dorfgasthaus zumacht.
Es verschwinden nicht nur Hotels, die durchschnittliche Bettenzahl steigt parallel dazu.
Es gibt klare Vorstellungen, wie viele Zimmer ein Haus haben muss, damit man davon leben kann. Der BW Atlas zeigt ja Daten seit 1995; seit damals sehen wir einen Konzentrationsprozess, der sicher weitergehen wird - international, aber auch in Baden-Württemberg. Hierzulande ist das allerdings nicht so stark ausgeprägt wie in Berlin.
Das Land der kleinen Hotels?
Wir haben glücklicherweise noch viele familien- und inhabergeführte Betriebe. Die bürgen für Authentizität und regionale Verankerung. In den Hotels der großen Ketten merken Sie nicht, ob Sie in Schanghai oder in Stuttgart absteigen. Das ist dem Geschäftsreisenden egal, aber im Schwarzwald will sicher kein Gast in einem noch so schönen Hotelhochhaus übernachten.

Der BW Atlas der Stuttgarter Zeitung - erkunden Sie das Land interaktiv. Um den BW Atlas zu öffnen, klicken Sie auf das Bild (öffnet sich in einem neuen Fenster). Wir empfehlen, den BW Atlas mit Desktop-PC oder Tablet zu nutzen.

BW Atlas - Baden-Württemberg interaktiv erkunden

Stichwort Geschäftsreisende: unsere Zahlen sagen uns nicht, wie hoch deren Anteil ist.
Zunächst einmal ist Baden-Württemberg sowohl ein Land für Urlaubs- als auch für Geschäftsreisen. Das ist gut, weil es das Risiko streut. Sollte die Konjunktur einbrechen, kommen weniger Geschäftsreisende - dafür würden mehr Deutsche im Land Urlaub machen. Eine Studie hat uns übrigens gezeigt, dass Urlauber in Baden-Württemberg vor allem wegen der Natur kommen - zum Erholen, zum Wandern, zum Radfahren. In der Region Stuttgart kommen zwei Drittel aller Übernachtungen durch Geschäftsreisende zustande. Im ländlichen Raum ist teilweise noch mehr - zum Beispiel in Tuttlingen. Da finden Sie unter der Woche kaum ein freies Zimmer.
In Stuttgart, Esslingen und anderswo hat sich die Zahl der Übernachtungen in den letzten zwanzig Jahren verdoppelt. Wie sieht es fürs gesamte Land aus?
Wir haben in Baden-Württemberg einen historischen Höchststand - hatten ganz ähnliche Zahlen aber schon direkt nach der Wiedervereinigung. Insgesamt geht es der Branche im Land also sehr gut. Und trotzdem kann es einzelne Orte mit klangvollem Namen geben, wo die Entwicklung negativ ist. Generell hat der ländliche Raum nicht so sehr profitiert, während Städte einen Boom erleben. Hier haben wir ein überdurchschnittliches Wachstum.
Unsere Zahlen zeigen auch, dass die Gäste im Schnitt oftmals nur noch zwei Nächte am Stück buchen.
Städtereisen liegen im Trend, da sind Sie oft nur ein, zwei Nächte in der Stadt. Dazu kommen die Geschäftsreisenden - wobei die ausländischen Geschäftsreisenden tendenziell sogar etwas länger bleiben.
Neue Anbieter wie AirBnB sind in Großstädten ein Thema. Für das ganze Land gesehen auch?
Ja, aber noch wichtiger sind Verwandten- und Bekanntenbesuche sowie Betriebe mit weniger als zehn Betten - die werden ja in der amtlichen Statistik nicht erfasst. Dank unserer Marktforschung wissen wir, dass durch diesen grauen Markt noch einmal fünfzig Prozent an Gästen und Übernachtungen hinzukommen.