Allein im Europaviertel hinter dem Hauptbahnhof sind fünf neue Hotels geplant – zu viele, wie der Fachverband befürchtet. Der Standort Neckarpark hingegen scheint für Investoren nicht sehr interessant zu sein.

Stuttgart - Der Stuttgarter Touristikchef erwartet fürs ausgelaufene Jahr 2012 einen neuen Rekord von mehr als drei Millionen Übernachtungen. Die Hotelbranche reagiert darauf mit weiteren Neubauten und weiter wachsenden Bettenkapazitäten: Zum Jahresbeginn 2013 stehen die Zeichen im Stadttourismus so deutlich wie lange nicht mehr auf Expansion. Allein im neuen Europaviertel hinter dem Hauptbahnhof sollen in den nächsten beiden Jahren fünf weitere Hotels mit mehreren Hundert Zimmern entstehen. An der Badstraße in Bad Cannstatt ist ein weiteres Haus der Marke Motel One geplant. Diverse Investoren stehen bereits in den Startlöchern und setzen vor allem auf das boomende Geschäft mit preiswerten Übernachtungsangeboten. „Wenn die angekündigten Hotels alle gebaut werden, sehe ich Überkapazitäten am Markt“, warnt dagegen der Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes, Markus Hofherr.

 

Auffallend ist bei den geplanten Projekten die Nähe zum Hauptbahnhof. Obwohl es rund um den zentralen Verkehrsknotenpunkt bereits einige Hotels aller Kategorien gibt, sollen in deren Nachbarschaft weitere hochgezogen werden. So wird das ehemalige Grundstück von Autoteile Unger an der Ecke Wolfram-/Nordbahnhofstraße künftig Adresse von gleich drei Hotels werden. Zwei davon wird die Gesellschaft Kommunalprojekt PPP für Foremost Hospitality bauen.

Zwei Dreisternehotels mit einem gemeinsamen Management

Der expandierende Hotelentwickler und -betreiber ist Franchisenehmer für bereits sieben Hotels in Deutschland und will in Stuttgart mit einem Holiday Inn Express mit 156 Zimmern und einem Hampton by Hilton mit 165 Zimmern gleich ein Doppeldebüt geben – im doppelten Sinn. Denn er will nicht nur mit zwei Marken an den Start gehen, sondern auch nach eigenen Angaben die zwei Dreisternehotels im Doppelpack einem Management unterstellen. Das spart Kosten bei einem durchschnittlichen Zimmerpreis von etwa 79 Euro. Der Baubeginn ist für Anfang 2014 geplant.

Gleich daneben, auf dem Grundstücksteil zur Nordbahnhofstraße, bahnt sich eine weitere Premiere der A & O Hotels and Hostels Holding AG an. Diese will laut Geschäftsführer und Mitgründer Oliver Winter noch in diesem Jahr mit dem Bau eines Beherbergungsbetriebs mit 400 Betten in 130 Zimmern beginnen – intern unterteilt in ein A-&-O-Hostel mit 70 Mehrbettzimmern und ein Zweisternehotel mit 60 Doppel- und Familienzimmern. „Unsere Zielgruppen sind vor allem Schulklassen und Jugendgruppen, Vereine und Chöre, die Preise im Sechsbettzimmer mit Frühstück werden sich je nach Saison zwischen 15 und 25 Euro bewegen“, sagt Winter.

Touristikchef wünscht sich Hotels im gehobenen Sektor

Diese neue Konkurrenz dürften also vor allem die Jugendherbergen zu spüren bekommen. „Wir werden auch zusätzliche Gäste nach Stuttgart bringen“, betont Winter und verweist auf Erfahrungen in 18 A- O-Hostels in Deutschland. Dass man nicht schon früher nach Stuttgart gekommen sei, liege nur daran, dass man kein geeignetes Grundstück gefunden habe.

Für das bekanntlich mit dem Einkaufszentrum Milaneo entstehende Hotel an der Heilbronner Straße ist das Markenschild inzwischen an Aloft vergeben. Das Hotel mit 165 Zimmern wird als Dreisternehaus geführt werden. Ein Stern mehr soll es im geplanten Wohn- und Hotelturm daneben an der Ecke zur Wolframstraße sein. Zuletzt hatte die Schwäbische Wohnungs AG den Bau eines 140-Zimmer-Hotels und hochwertige Servicewohnungen darüber angekündigt, planerische Probleme haben das Projekt auf dem ehemaligen Bahngrundstück bisher allerdings verzögert.

Interessant: im neu entstehenden Stadtteil Neckarpark beim Cannstatter Wasen, wo die Stadt gerne mehrere Hotels mit zusammen 1000 Betten ansiedeln würde, tut sich auch nach jahrelangen Bemühungen nichts. Man sei mit verschiedenen Interessenten in Verhandlungen, heißt es bei der städtischen Wirtschaftsförderung. Zuletzt machte ein Berliner Architekt mit der Idee für ein Carloft-Hotel, das das Zimmerangebot mit einer Garage auf der Etage ergänzt, von sich reden.

Wirtschaftsförderung wartet auf Zeichen des neuen OB

Vor allem der ehemalige Oberbürgermeister Wolfgang Schuster hatte auf neue Hotels im Neckarpark gesetzt. Jetzt, da die Wolframstraße in den Fokus gleich mehrerer Investoren geraten ist, stehen hinter dieser Idee zunehmend Fragezeichen. „Im Moment besteht für eine Hotelansiedlung im Neckarpark weiterhin der Auftrag des Gemeinderats. Es wird sich zeigen, wie der neue Oberbürgermeister darüber denkt“, sagt Martin Armbruster von der Wirtschaftsförderung.Markus Hofherr vom Hotel-und Gaststättenverband, der von Hotels im Neckarpark nie viel gehalten hat, sieht sich durch die jüngsten Entwicklungen bestätigt. Hofherr: „Wenn die Hotels an der Wolframstraße gebaut werden, dann sollte man den Neckarpark als Hotelstandort vergessen.“

Insgesamt geht er davon aus, dass die neuen Hotelangebote die Bettenauslastungsquote von zuletzt rund 46 Prozent etwas drücken werden und sich der seit Jahren abzeichnende Strukturwandel in der Hotellerie beschleunigt. „Kleinere Häuser, die nicht auf der Höhe der Zeit sind, werden vom Markt verschwinden“, so seine Prognose. Im hohen Preissegment dagegen könnte die Stadt durchaus noch ein weiteres Hotel vertragen, meint Hofherr.

Davon ist auch Touristikchef Armin Dellnitz überzeugt. „Die neuen Hotels werden ihren Markt bekommen, aber wir bräuchten vor allem noch Betten mit vier und fünf Sternen“, sagt Dellnitz. Er erläutert auch warum: „Wir brauchen Hotels, die so stark sind, dass die Leute auch wegen der Hotels nach Stuttgart kommen.“