1912 hat sich der erste Fremdenverkehrsverein in Göppingen gegründet. Geworben wurde schon damals fast ausschließlich mit dem Hohenstaufen.

Göppingen - Sommerzeit ist Reisezeit. Sogar in Göppingen werden Touristen gesichtet. Allerdings tut sich die Stadt schwer, ihre Reize zur Geltung bringen. Dabei hat der Tourismus Tradition. Vor 100 Jahren hat sich der erste Göppinger Fremdenverkehrsverein gegründet. Welche Attraktion schon damals ganz vorne stand, war keine Frage: der Hohenstaufen.

 

Aller schwäb’schen Berge schönster

Der Dichter Ludwig Uhland hatte zwar bereits Mitte des 19. Jahrhunderts den Kaiserberg als „aller schwäb’schen Berge schönster“ gerühmt, und es gab 1884 einen „Touristen-Führer auf der schwäbischen Alb“, in dem der Hohenstaufen und Göppingen Erwähnung fanden. Doch als Geburtsjahr des Fremdenverkehrs in Göppingen darf das Jahr 1912 gelten. Wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg rüsteten einige Honoratioren der Stadt zum Angriff auf Reiselustige und gründeten den ersten Fremdenverkehrsverein.

Aus dem Bericht über die erste Hauptversammlung im Jahr darauf ist zu erfahren, wie geworben wurde. Plakate an mehr als 60 Bahnhöfen im Land wurden ausgehängt und an Hotels verschickt, auch nach Frankreich, Bayern und Berlin. Das Plakat zeigte den Hohenstaufen, überragt nur von Barbarossa selbst. Kurz darauf gab es einen Reiseführer zur Stadt, der auch an ehemalige Göppinger in Amerika oder Ägypten versandt worden war.

Dampfbad und reelle Bedienung

Der Verein, der rasch 200 Mitglieder zählte, schmiedete große Pläne. Allerdings fiel es schwer, die Stadt zu bewerben. Der „Führer durch Göppingen und Umgebung“ pries Schloss, Oberhofenkirche und Badherberge an, die Post und das Dampfbad. Als erstes Haus am Platze galt das Hotel Apostel (mit elektrischem Licht, Autogarage und Benzinstation) und eine Attraktion war das Schockensee-Etablissement mit Bootsverleih, Doppelkegelbahn und einer „reellen und zuvorkommenden Bedienung“. In der Kunsthandlung Seyfang richtete der Verein eine Auskunftsstelle ein, die erste Tourist-Info in Göppingen, wobei Touristen noch „Vergnügungsreisende“ oder eben „Fremde“ waren.

Über allem thront der Hohenstaufen

Geworben wurde vor allem für Göppingen als Ausgangspunkt von Wanderungen, aber man hatte auch bereits einen „Schaufensterschmuckwettbewerb“ im Sinn, der Gäste locken sollte. Über allem thronte aber der Hohenstaufen, der damals und in den weiteren Jahrzehnten als Nationalheiligtum trefflich vermarktet wurde.

Wie ein Anmeisenhaufen

Daran hat sich auch im 20. Jahrhundert kaum etwas verändert, nur dass man heute selbstverständlich lieber die europäische Dimension des Herrschergeschlechts in den Vordergrund stellt.

Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg stand wieder der Hohenstaufen im Mittelpunkt der aufkeimenden Fremdenwerbung. Zu einem ersten Bergfest strömten mehr als 10 000 Besucher auf die Spielburg, die damals einem Ameisenhaufen geglichen haben muss. In den frühen 1950er Jahren war der zu dieser Zeit noch selbstständige Ort Hohenstaufen die Speerspitze der lokalen Tourismusbranche. Ende der 1960er Jahre wurde sogar der Bau eines Schlepplifts für den Wintersport erwogen.

Betrug im Reisebüro

Als „ideale Sommerfrische mit Rundblick, Barbarossakirchlein, guter Verpflegung und Autobuslinie“ wurde der an „Geschichte reiche Berg“ annonciert, und es verschlug tatsächlich Feriengäste dorthin, wie Briefwechsel aus dem Archiv verraten. Eine Frau mit ihrem neunjährigen Sohn hatte 1954 in einem Kölner Reisebüro einen dreiwöchigen Aufenthalt gebucht. Allerdings hatte das Reisebüro der Mutter Hohenstaufen als Luftkurort im schwäbischen Schwarzwald verkauft. Der Hohenstaufer Schultes musste klarstellen, dass man nur Höhenerholungsort an der Alb sei.

Mitte der 50er Jahre zog es aber auch Auslandsurlauber nach Göppingen, das sogar Pauschalurlaub für den Maientag inklusive Rummelbummelpass anbot. Die Übernachtungszahlen in der Stadt stiegen rasant von 46 000 (1956) auf mehr als 81 000 (1960). Mehr als ein Drittel davon waren von Ausländern, vorwiegend Holländern, Belgiern und Franzosen, wobei ein französisch-deutsches Schülerprogramm mit bis zu 700 französischen Gästen bei Familien ebenso in die Statistik einfloss, wie der deutsche Wandertag mit allein 20 000 Besuchern. Die Tatsache, dass ein holländisches Busunternehmen Göppingen auf der Rückreise von Italien als Zwischenstopp auserkoren hatte, bescherte der Stadt ein Plus von 480 Übernachtungen im Jahr.

Liegestühle für die Industriestadt

Die Gäste erwarteten damals von ihrem Urlaubsort unter anderem „gastronomische Genüsse, Sehenswürdigkeiten oder auch ein Kino, eine Kleingolfanlage und Liegestühle“. Das hatten Umfragen des Landesverbands ergeben, der auch einen Tausendsassa mit seinem Unterhaltungsprogramm von Folkloretanz bis Mundharmonikatrio als Ferien-Veranstaltungsmagnet empfahl.

Göppingen hingegen wurde in der Lokalzeitung damals als unromantische Stadt beschrieben, die außer Gastlichkeit und landschaftlicher Stimmung wenig Sehenswertes zu bieten habe. Weitere Attribute waren: strebsam, nüchtern, gewerbefleißig und verkehrsreich, wobei all dies in den 1950er Jahren positiv gemeint war. Fremdenwerbung jedoch sei so besonders schwierig, schrieb der Lokalredakteur und verwies wie schon die Gründerväter 1912 auf Ausflugsziele im Umland.

Es hat sich auch seither nur wenig geändert. Selbst in den Hochglanzprospekten der 80er und 90er Jahre sowie der aktuellen Prospekte stehen der Hohenstaufen, die Staufer und der Naturgenuss im Mittelpunkt der Tourismuswerbung.