Deutsche Urlauber meiden Griechenland und reisen stattdessen weiterhin gerne nach Spanien. Unsere Korrespondenten erläutern die Hintergründe.

Athen - Kinos brennen, Geschäfte werden geplündert, Bankfilialen verwüstet, und dann fackeln Demonstranten auf dem Athener Syntagmaplatz unter großem Gejohle eine deutsche Fahne ab: Bilder wie diese machen nicht gerade Lust auf einen Griechenlandurlaub. Die großen Reiseveranstalter melden für diesen Sommer in Deutschland Buchungsrückgänge von bis zu 30 Prozent für Griechenlandreisen. Der Rückgang auf dem deutschen Markt trifft die griechischen Hoteliers hart, denn die Deutschen stellen nach den Briten traditionell die meisten Urlauber. Antideutsche Demonstrationen seien „nicht hilfreich“, warnt Andreas Andreadis, der Vorsitzende des Verbandes der griechischen Tourismusunternehmen.

 

Wie willkommen sind die Besucher aus „Germanía“ in diesem Jahr? „So willkommen wie eh und je, wir begrüßen sie als Freunde“, sagt Theofilos Floros, Empfangschef eines Viersternehotels auf der Insel Kreta. Tatsächlich zeigen die Fernsehbilder von den Ausschreitungen in Athen nur einen kleinen Ausschnitt der griechischen Wirklichkeit. In den Urlaubsregionen außerhalb der Großstädte bekommt man von den Protesten nichts mit. Auch die Zeitungskarikaturen, die Angela Merkel in einer SS-Uniform abbilden, sind nicht repräsentativ. Die Wut der Demonstranten und die Kritik der Medien richten sich nicht gegen die Deutschen schlechthin, sondern gegen das, was viele Griechen als „Spardiktat“ aus Berlin empfinden. Diese Spannungen gab es schon im vergangenen Jahr. Aber dass deswegen deutsche Touristen in Griechenland angefeindet wurden, ist nicht bekannt.

Die griechischen Hoteliers hoffen auf ein besseres Klima

Auf der ITB ist die griechische Fremdenverkehrswirtschaft mit rund 80 Ausstellern sowie durch die staatliche Tourismusbehörde EOT vertreten. Die Hoteliers und Branchenfunktionäre hoffen, dass sich das Klima doch noch zu Gunsten ihres Landes verbessert. Viel Zeit bleibt ihnen nicht: bis Ende März werden etwa 50 Prozent der Reisen für den Sommer gebucht. Danach bleibt nur noch die Hoffnung auf Last-Minute-Gäste. Von Gerd Höhler

Spanien bleibt das beliebteste Auslandsreiseziel der Deutschen – auch wenn die Stimmung zwischen den beiden Ländern in letzter Zeit getrübt ist. Kaum ein Tag vergeht, an dem Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel nicht in einem Medienkommentar heftig kritisiert wird. Weil das Schwergewicht Deutschland angeblich Spanien und andere schwächelnde Euro-Krisenländer in diesen klammen Zeiten nur herumkommandiere und an seinen eigenen Vorteil denke. „Die Merkel macht uns fertig“, sagen die Leute auf der Straße. Aber auch das in Mode gekommene und hässliche Bild der „egoistischen, überheblichen Deutschen“ kann den germanischen Reisestrom in Richtung Sonne nicht stoppen: Die Zahl der deutschen Spanienurlauber im Jahr 2011 stieg leicht auf etwas über neun Millionen – und im laufenden Jahr 2012 sollen es noch mehr werden. Die meisten zog es übrigens nach Mallorca, der liebsten Ferieninsel der Teutonen, welche auf „Malle“ das größte ausländische Touristenheer stellen. Zweitliebstes spanisches Ziel der Deutschen sind die Kanaren, danach kommt die Costa Brava.

In Spanien fühlen sich die Deutschen gut aufgehoben

Dieser Boom signalisiert, dass die Deutschen sich in Spanien gut aufgehoben fühlen: vielleicht auch deswegen, weil die spanische Wirtschaftskrise mit Massenarbeitslosigkeit (noch) nicht zu Revolutionsstimmung und erhöhter Kleinkriminalität auf den Straßen geführt hat. Im Gegenteil: statistisch gesehen, behauptet die Regierung, sei Spanien heute sicherer als in früheren Jahren.

Andererseits wissen viele Spanier, was sie den Urlaubern zu verdanken haben: Der Tourismus, der gut zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht, ist die einzige Wirtschaftsbranche, die wächst. Und die bewirkt, dass ein bisschen Geld in den Kassen hängenbleibt. Ohne die Reiselust der Deutschen und der Briten, den beiden stärksten Besuchergruppen, würde es Spanien noch schlechter gehen. „Der Tourismus“, titelten spanische Zeitungen, „zieht den Wirtschaftskarren.“ Von Ralph Schulze

Die Italiener fragen sich: Warum dümpelt Fiat so vor sich hin?

Italien staunt. Manchen Zeitungen war die Sache gestern sogar eine Meldung auf der Titelseite wert – und an den Bars drehten sich die Gespräche ausnahmsweise einmal nicht um den Fußball: Jeder VW-Beschäftigte in Deutschland kriegt für das Erfolgsjahr 2011 einen Bonus von 7500 Euro ausgezahlt! Und warum – fragen sich die Italiener – schaffen wir so etwas nicht? Warum dümpelt Fiat so vor sich hin? Wo bleibt unser Rekordjahr?

Deutschland ist für viele Italiener ein Wunschland: So was wie nördlich der Alpen, so viel Effizienz, so hohe Löhne, eine so gemäßigte Bürokratie und gleichzeitig so geordnete Abläufe, das hätten sie auch immer gerne. In der Krise jetzt, das kriegen die Italiener hautnah mit, ist der Abstand allerdings noch gewachsen. An Germanias Konjunktur hing Italien früher immer eng dran – heute aber scheint diese Koppelung unmöglich. Während deutsche Arbeiter ihren Bonus genießen, müssen italienische froh sein, nicht auf „Kurzarbeit null“ gesetzt zu werden. Und die Sparmaßnahmen der Regierung Monti haben alles, aber auch alles empfindlich verteuert.

Kein Sozialneid, der sich in deutschlandfeindlicher Art zeigt

Daraus ist aber nicht Sozialneid entstanden, jedenfalls nicht einer, der sich in deutschlandfeindlicher Art manifestieren würde. Gewiss, jeder in Italien – vom Arbeiter bis zu Wirtschaftsexperten und Regierungsmitgliedern – hätte sich von Deutschland entschieden mehr erwartet: dass „Frau Merkel“ zu Gunsten der europäischen Rettungsschirme bereitwilliger ihre Schatztruhen geöffnet hätte. Doch statt Solidarität erlebte Italien ein deutsches Diktat, das allen anderen nichts als Haushaltsstrenge abverlangte. Die einen im satten Reichtum, die anderen unter der Sparknute – das gab schon Missstimmung.

Aber das war’s auch schon. Die geradezu resignative Einsicht in die eigenen Defizite verhinderte – bisher – Schlimmeres. Und zumindest die Tourismusprognosen lassen hoffen: Die deutschen Urlauber, die alleine fast ein Drittel des Umsatzes bringen, sie sagen Italien noch lange nicht Arrivederci. Im Gegenteil: die Zahlen der deutschen Urlauber steigen wieder. Von Paul Kreiner