Fünf Jahre nach dem Auftakt ist der bei Ausflüglern beliebte Sinnesweg vollendet. Gesetzt wird nicht nur auf Information, sondern aufs Erlebnis. Die beiden neuen Stationen „Blick in den Berg“ und „Aromen zum Anfassen“ runden das Angebot nun ab.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Fellbach - Anfassen lässt sich Aroma nicht. Es lässt sich schmecken und riechen, in flüssiger Form in den Kuchenteig kippen oder in der Pfeife rauchen. Aber mit den Fingern begreifen lässt es sich streng genommen nicht – vor allem nicht, wenn es sich um eine auf eine Trägerplatte aus Cortenstahl montierte Abbildung handelt. Und doch hat Ralph Tille die letzte Station des Weinwegs am Kappelberg mit dem Titel „Aromen zum Anfassen“ versehen.

 

Ausdrücken soll die Tafel mit den aus dem Metall herausgelaserten Trauben, so die Idee des als Professor für Informationsdesign an der Hochschule der Medien in Stuttgart lehrenden Fellbachers, wie unterschiedlich nicht nur die Form, sondern auch der Geschmack sein kann. Vier rote Sorten – Trollinger, Lemberger, Spätburgunder und der als Pinot Meunier firmierende Schwarzriesling – sind wie bei einem Scherenschnitt auf der einen Seite der Tafel angebracht. Die andere Seite teilen sich die Weißweine Riesling, Kerner, Grauburgunder und Müller-Thurgau.

Die Idee für den Weinweg kam Ralph Tille bereits vor gut zehn Jahren

Auch sie sollen erfahrbar machen, wie die Traube am Rebstock hängt, wenn gerade keine Lesezeit ist. Denn der Weinweg am Kappelberg ist als Ausflugsziel konzipiert, das nicht nur den Verstand, sondern alle Sinne ansprechen will.

Während beim Start des Weinwegs an der Kelter der Fellbacher Weingärtner mit emotionalen Bildern der Mensch im Mittelpunkt steht, widmen sich andere Stationen dem Boden und dem Anbau, den Rebsorten oder den an einer Hörstation abgespielten Winzergeschichten. „Wenn nicht hier ein Weinweg aufgebaut wird, wo sonst?“, fragte die Fellbacher Oberbürgermeisterin Gabriele Zull bei der Eröffnung der 2014 begonnenen und jetzt vollendeten Wanderstrecke. Knapp fünf Kilometer weit führt sie über Asphaltwege und Wengerttreppen in einer Schleife über den Kappelberg – und liefert neben dem Erlebnis an den Stationen auch grandiose Panoramablicke auf den Stuttgarter Talkessel oder die Grabkapelle auf dem Rotenberg.

Die Idee für den Weinweg kam Ralph Tille bereits vor gut zehn Jahren. Der Wahl-Fellbacher nutzte den Kappelberg für regelmäßige Joggingrunden – und rannte mit dem Vorschlag für eine Mischung aus Wissensvermittlung und Erlebnis im Rathaus offene Türen ein. Denn der noch von Otto Linsenmaier entworfene Vorgänger aus dem Jahr 1991 war nicht nur stark angejahrt, sondern richtete sich laut Fellbachs Baubürgermeisterin Beatrice Soltys vor allem an ein erwachsenes Publikum. Sie betonte bei der Einweihung, dass es bei der Konzeption darum gegangen sei, alle Altersgruppen anzusprechen – und dass der Weinweg ein Gemeinschaftswerk darstelle. Bezahlt wurden die Gesamtkosten von 260 000 Euro nämlich nicht nur aus Restmitteln aus dem Flurbereinigungstopf. Auch diverse Sponsoren steuerten insgesamt 100 000 Euro bei.

Der Bodenkunde wiederum ist die Doppelstation gewidmet, die den Titel „Blick in den Berg“ trägt

Und: Den Wengertern am Kappelberg wurde ein so genanntes „Hektargeld“ zur Finanzierung abverlangt. Abhängig von der bewirtschafteten Fläche zahlten sie 150 Euro pro Hektar in die Weinweg-Kasse ein. „Man musste niemand überzeugen, sondern nur mit den Leuten reden“, erinnert sich Ralph Tille an die Gespräche mit Planern und Erzeugern. Den härtesten Kampf übrigens focht die Stadt mit dem Naturschutz aus – dass die am Wegrand aufgestellten Gabionen über ein Solar-Modul schwach leuchten, um auch in der Dunkelheit eine Orientierung zu ermöglichen, schmeckte Verteidigern der Tier- und Pflanzenwelt nicht gerade.

Der Bodenkunde wiederum ist die Doppelstation gewidmet, die den Titel „Blick in den Berg“ trägt. Wer wissen will, was dem Wein seinen charakteristischen Geschmack gibt, steigt über Treppen an durchsichtigen Zylindern vorbei, in denen Bodenproben wie Gipskeuper oder Bunter Mergel hinterlegt sind – die Zusammenarbeit mit Günter Bäder, ehemals Leiter der Weinbauschule in Weinsberg, zahlte sich aus. Der zweite Standort für die Beschäftigung mit dem Untergrund zeigt eine schematische Zeichnung des Kappelberg-Profils mit den einzelnen Gesteinsschichten. Die Besonderheit bei der Station ist die geographische Verortung direkt oberhalb der beiden Röhren des Kappelbergtunnels. „Viele Menschen sind sich gar nicht bewusst, dass exakt an dieser Stelle der Verkehr durchfließt“, sagt Ralph Tille.