Im vergangenen Jahr sind in Baden-Württemberg mehr als 52 Millionen Übernachtungen gezählt worden – soviele wie nie zuvor in der Geschichte des Landes. Doch wie lange der Boom anhält ist offen: Die Nachfrage aus dem Ausland hat zu letzt stagniert.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Stuttgart - Seit rund acht Monaten ist der Landesminister Guido Wolf (CDU) inzwischen im Amt – und unter anderem für den Tourismus zuständig. In dieser Eigenschaft hat er jetzt eine positive Bilanz des Jahres 2016 gezogen. „Baden-Württemberg“, lautet seine Erkenntnis, „ist nicht nur das Land der Schaffer, sondern auch der Urlauber.“

 
Wie viele Gäste wurden gezählt?
Seit 2010 entwickelt sich der Tourismus im Südwesten nur in eine Richtung – nach oben. 2016 wurden knapp 21 Millionen Urlauber und Geschäftsreisende gezählt, erneut ein Plus von 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr und mehr denn je. Übernachtungen gab es rund 52 Millionen, 1,3 Millionen mehr als 2015 (plus 2,5 Prozent), das ist ebenfalls ein neuer Rekord. Damit habe sich die positive Entwicklung der vergangenen Jahre fortgesetzt, konstatiert Carmina Brenner, die Präsidentin des Statistischen Landesamts, in deren Haus die Zahlen erfasst und ausgewertet werden. Dies gilt, auch wenn der Zuwachs weniger stark war. 2015 hatte das Plus bei den Übernachtungen noch 3,5 Prozent betragen.
Woher stammen die Touristen?
40,8 Millionen der Übernachtungen entfallen auf Inlandsgäste, „nur“ 11,2 Millionen auf Auslandsgäste. Dieser Bereich stagniert, da im Moment besonders Chinesen, aber auch Russen oder Briten dem Südwesten eher fernbleiben – sei es aus wirtschaftlichen Gründen oder aus Sorge um die Sicherheit in Europa. Gefragt ist das Land bei den Schweizern, die mit 2,5 Millionen Übernachtungen das Gros der Buchungen aus dem Ausland ausmachen, sowie bei Franzosen, Österreichern und Niederländern. Unter dem Strich profitiert Baden-Württemberg in erster Linie vom starken Trend der Deutschen, im eigenen Land Urlaub zu machen – und zudem häufiger als früher auf Kurzreise zu gehen.
Welche Gründe gibt es für den Boom?
Bei den Deutschen, aber auch den Europäern gilt Baden-Württemberg als sicheres Reiseziel – ein wichtiges Argument in Zeiten des Terrors. Andreas Braun, der Geschäftsführer der Tourismus Marketing Gesellschaft Baden-Württemberg, führt zudem verbesserte Angebote ins Feld. „In puncto Service und Qualität hat sich viel getan“, sagt er. Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) begründet die größere Attraktivität des Südwestens mit höheren Investitionen der Hoteliers, die durch Steuerentlastungen möglich geworden seien. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat 2010 die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen gesenkt.
Welches sind die beliebtesten Ziele?
Mehr als die Hälfte aller Übernachtungen entfällt auf Gegenden, die keine speziellen touristischen Prädikate haben. Allein 3,7 Millionen Übernachtungen wurde etwa in Stuttgart gezählt. Auch andere Großstädte wie Freiburg, Mannheim oder Karlsruhe stehen vorn in der Liste beliebter Destinationen. Damit bestätige sich der Trend zu Städtereisen, sagt die Amtschefin Brenner. Auffallend: Rust liegt mit einer Million Übernachtungen auf einem beachtlichen sechsten Platz – der Freizeitpark dort ist ein Publikumsmagnet. Besonders zugelegt haben bei den Übernachtungen im vergangenen Jahr der Kreis Tübingen mit einem Plus von 10 Prozent, Regionen wie der Hegau (plus 8,8 Prozent), der Bodensee (plus 5,3 Prozent) und die Schwäbische Alb (plus 4,8 Prozent). „Alles rührige Gegenden“, wie der Touristikdirektor Braun meint.
Wie bedeutend ist der Tourismus?
Aus der Sicht von Guido Wolf ist der Tourismus ein „unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor“ im Land. 326 000 Arbeitsplätze seien damit verbunden, mehr als im Fahrzeugbau. Die Landesregierung will die Branche stärken und hat deshalb die jährlichen Budgets für die touristische Infrastruktur (von 5 auf 7 Millionen Euro) und das touristische Marketing (von 4,3 auf 4,5 Millionn Euro) erhöht. Mit mehr Geld für Werbung sei es allerdings nicht getan, betonte der tourismuspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Erik Schweickert. Vielmehr gehe es darum, die Rahmenbedingungen für den Tourismus zu verbessern: die Bekämpfung des drohenden Fachkräftemangels und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Unabhängig davon sollen in diesem Jahr unter anderem der 200. Geburtstag des in Mannheim erfundenen Fahrrads und die Reformation genutzt werden, um Gäste aus nah und fern anzulocken. „Ich gehe davon aus“, so Wolf, „dass wir trotz der guten Jahre immer noch Luft nach oben haben.“