Länder wie Ägypten und Griechenland kämpfen gegen den Rückgang der Urlauberzahlen. Deutsche Touristen reisen lieber nach Spanien und andere Länder.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Ein paar Mausklicks – und ab in den Urlaub. Die deutschen Reiseweltmeister sind gerne unterwegs und als zahlungskräftige Gäste in vielen Ländern willkommen. In Zeiten der Globalisierung sind Trips an ferne Traumstände für viele selbstverständlich. Doch politische Umbrüche, Wirtschaftskrisen, Terroranschläge oder Naturkatastrophen können die Ferienwelt erschüttern.

 

Die Pyramiden, das Nildelta, die Wüste und das Rote Meer – Ägypten ist eines der schönsten Urlaubsziele der Welt. Als Partner der weltgrößten Reisemesse ITB in Berlin wirbt das Land derzeit intensiv um Gäste. Denn der Tourismus ist mit die wichtigste Einnahmequelle des Wüstenstaats. Doch seit der Revolution gegen Ex-Staatschef Mubarak meiden viele das Land, 2011 sank die Besucherzahl um ein Drittel auf rund zehn Millionen. Die massiven Einnahmeausfälle sind die Kehrseite des Arabischen Frühlings, der den Ländern in Nordafrika mehr Demokratie bringen soll. Die Bilder von den gewalttätigen Protestaktionen auf dem Tahrir-Platz in Kairo gingen um die Welt und schreckten viele ab. Zehntausende Ägyptenurlauber wurden voriges Jahr von den Veranstaltern eilends in die Heimat zurückgebracht, weil der Sturz Mubaraks in einen Bürgerkrieg auszuarten drohte. Mindestens bis zu den Neuwahlen im Mai ist unklar, wie es am Nil weitergeht – und inwieweit islamistische Kräfte die Oberhand gewinnen.

Nichts hassen Urlauber so sehr wie eine Welt voller Sorgen

Das sind Entwicklungen, die im Tourismusgeschäft als massiv geschäftsschädigend gelten. Da mag der derzeitige Tourismusminister Mounir Fakhry Abdel Nour in Berlin noch so sehr um deutsche Gäste werben und gar verkünden, dass bis 2017 die Gästezahlen auf 30 Millionen verdreifacht werden sollen. Einstweilen werden Hotels und Flieger nach Ägypten von den Veranstaltern nur mit Tiefpreisen wenigstens halbwegs zu füllen sein.

Denn nichts hassen Urlauber so sehr wie eine Welt voller Sorgen, Ängste und Unsicherheit – genau diese Welt wollen sie in den Ferien für eine Weile hinter sich lassen. Gefragt sind Spaß und Erholung, man verdrängt Kummer und Probleme – und gerne auch die oft genug unschönen Zustände, die hinter den Zäunen der Urlaubsidylle in den Gastländern herrschen.

Der globale Tourist vergisst schnell

Beispiel Nordafrika: ob Ägypten oder Tunesien, vor dem Sturz der autokratischen Herrscher Mubarak und Ben Ali brummte zwar der Tourismus, doch es gab wenig Demokratie, dafür umso mehr Armut und Korruption. Die meisten Urlauber bekamen davon in ihren Hotelresorts wenig mit – und wollten es auch nicht.

Dabei gibt es viele Gründe, beliebte Reiseziele kritisch zu sehen: die Unterdrückung der Kurden und Verletzung der Menschenrechte in der Türkei, die Kinderprostitution und Armut in Kenia, der Sextourismus und die eingeschränkte Pressefreiheit in Thailand, die autokratischen Ölstaaten am Golf und ihre Heerscharen asiatischer Billigarbeiter, die Verfolgung von Regierungskritikern in China oder der Verfall von Städten, Sitten und Moral im sozialistischen Kuba.

Doch der globale Tourist vergisst solche Zustände gern und kommt rasch wieder, wenn Bilder von Umstürzen und Katastrophen aus den Nachrichten verschwunden sind. Sieben Jahre nach dem Tsunami im Indischen Ozean, der mehr als 230 000 Einheimische und viele Urlauber das Leben kostete, sind die Traumstrände in Thailand, Sri Lanka und Indonesien längst wieder so bevölkert wie zuvor.

Die Branche soll ein Bekenntnis zu Menschenrechten liefern

„Verschwindet ein Krisenthema aus den Nachrichten, erholt sich die touristische Nachfrage erstaunlich schnell“, konstatieren auch die Marktforscher der Nürnberger GfK. Daran gemessen muss neben Ägypten auch Griechenland eine längere Durststrecke überstehen, wo 700 000 Arbeitsplätze vom Tourismus abhängen – und in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise immer mehr Gäste wegbleiben.Der Tourismuspolitiker Klaus Brähmig (CDU) hat auf der ITB mit einem ungewöhnlichen Vorschlag für Debatten gesorgt. Die Branche sollte ein klares Bekenntnis zu den Menschenrechten liefern und in den Reisekatalogen angeben, ob in dem jeweiligen Reiseland eine Diktatur herrsche, ob Frauen diskriminiert oder Kinder ausgebeutet würden. In Ägypten etwa würden koptische Christen benachteiligt und Schauprozesse gegen Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung geführt, kritisiert Brähmig. In einem Beitrag für die „Berliner Zeitung“ ging der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Tourismusausschusses weiter. Urlauber sollten sich fragen, ob sie „in ein abgeschottetes Resort fahren wollen, wo sie am Strand liegen, wenn wenige Kilometer weiter Einheimische abgeschlachtet werden“. Die Reisebranche reagierte verärgert, aber auch diplomatisch. Verbandspräsident Klaus Läpple empfahl einen Blick in die Geschichtsbücher und mehr Geduld – auch Deutschland habe nicht immer so stabile demokratische Verhältnisse gehabt wie heute.