Aus Sicht der Stadt Fellbach lohnt sich der Erhalt des alten Milchhäusle nicht. Stattdessen soll ein Neubau kommen.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Fellbach - Das Milchhäusle im Fellbacher Oberdorf war lange Jahre der Treffpunkt ganzer Generationen. Beim Abliefern der Kannen aus dem heimischen Kuhstall wurden Neuigkeiten ausgetauscht, Geschäfte eingefädelt und Ehen angebahnt. Am Milchhäusle hängen in Fellbach viele Erinnerungen und noch mehr Emotionen – das auf den ersten Blick eher unscheinbare Gebäude ist ein Relikt aus einer Zeit, in der die Siedlung unterm Kappelberg noch ein Dorf war.

 

Jetzt allerdings hat dem Lagerraum an der Weimer-straße wohl das letzte Stündlein geschlagen: Weil sich ein Milchhäusle-Erhalt aus Sicht der Fellbacher Bauverwaltung nicht lohnen würde, wird das historische Bauwerk für 70 000 Euro verkauft – und anschließend wohl auch umgehend abgerissen. Die Stadt hat das Grundstück an der Weimerstraße, vom Fellbacher Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung mit großer Mehrheit abgesegnet, mit einer Neubauverpflichtung belegt.

Das Fachwerkhaus wird als ortsbildprägend eingestuft. Foto: Patricia Sigerist
Denn ins städtebauliche Gefüge der Häuserzeile passt das eingeschossige Milchhäusle aus Sicht der Bauexperten im Rathaus nicht. „Es fügt sich weder in seiner Kubatur noch in seiner Gestaltung in die Ortstypik entlang der Weimerstraße und der Stäffele ein“, heißt es in einer Vorlage aus dem Rathaus. Und: Von einem als Baudenkmal besonders schützenswerten Anwesen kann beim in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts errichteten Milchhäusle offenbar auch keine Rede sein – der von 1933 bis 1968 als Sammelstelle genutzte Lagerraum ist zu jung, um historisch wertvoll zu sein. Dabei hat die Stadt vor Jahren eigens eine Tafel am Milchhäusle anbringen lassen. Auf dem Schild wird auf die Milch als wichtigen Nebenerwerb der bäuerlichen Bevölkerung verwiesen – und auf den Treffpunkt, den das Milchhäusle für die Fellbacher Dorfjugend darstellte.

Ein Umbau des später als Druckereiwerkstatt und schließlich als Vereinsraum genutzten Gebäudes wäre aus Sicht der Stadt Fellbach unzumutbar teuer. Wegen der ungünstigen Grundrisse und der „äußerst schwierigen Erschließungssituation“, würde eine Modernisierung mit fast ebenso hohen Kosten zu Buche schlagen wie ein Neubau. Bei geschätzt 200 Quadratmeter Nutzfläche könnten nach einem Abriss in zentraler Lage zwei bis drei Wohneinheiten entstehen.

Gutachter schätzt Aufwand auf 730 000 Euro ein

Erhalten werden soll übrigens das angrenzende Gebäude Schmerstraße 10 – durch sein Sichtfachwerk von der Stadt als „ortsbildprägendes Ensemble“ eingestuft. Das Fachwerkhaus soll für 130 000 Euro verkauft werden. Von einem Neubau rät die Bauverwaltung ab: „Ein Neubau würde den identitätsstiftenden Charakter der Gesamtsituation maßgeblich verändern“ heißt es. Allerdings geht die Modernisierung ins Geld: Ein Gutachter hat den Aufwand auf stattliche 730 000 Euro geschätzt. Entstehen könnte etwa eine kleine Gewerbeeinheit mit 40 Quadratmetern und eine mehr als 200 Quadratmeter große Wohnfläche. Alternativ wären auch Wohnungen mit je 120 Quadratmeter Fläche möglich. Die Stadt würde maximal 100 000 Euro als Zuschuss gewähren, weil sich das Fachwerkhaus im Sanierungsgebiet Weimerstraße/Schmerstraße befindet.