Bald wird das einstige Schönemann-Areal an der Fellbacher Straße dem Erdboden gleichgemacht. Bereits im Jahr 2013 hatte es, nachdem kein Nachfolger gefunden wurde, in der früheren Baumschule die Abschiedsparty gegeben.

Schmiden - Noch ein bisschen in Nostalgie schwelgen – und dann ist es vorbei. Denn wieder einmal heißt es Abschied nehmen von einem alteingesessenen Fellbacher Betrieb. Am besten, man nimmt sich Zeit für einen kleinen Spaziergang entlang der Fellbacher Straße und wirft noch ein paar letzte Blicke über den Zaun. In wenigen Monaten werden Abrissbirne und Baggerfahrer die Gebäude der früheren Baumschule Schönemann dem Erboden gleichgemacht haben. Den Verantwortlichen im Rathaus rund um OB Gabriele Zull kommt die Entwicklung freilich im Zuge der vehement forcierten Fellbacher Wohnbauoffensive 2020 durchaus entgegen.

 

Wer sich das Gelände westlich der Fellbacher Straße in diesen Tagen anschaut, kann durchaus nostalgische Gefühle entwickeln

Als der Gemeinderat Fellbach kürzlich den entsprechenden Bebauungsplan „Gewerbegebiet Siemensstraße/Wohngebiet Fellbacher Straße“ samt Bausatzung über den „Planbereich Fellbacher Weg I“ auf Markung Schmiden auf den Weg brachte, war in manchen Wortbeiträgen durchaus Wehmut zu spüren. So erklärte CDU-Sprecher Jörg Schiller aus Oeffingen: „Wieder geht eine Ära zu Ende, die Fellbach geprägt hat.“ Die Baumschule Schönemann „hatte eine lange Tradition mit bis zu 100 Mitarbeitern“, erinnerte sich Schiller, der selbst einem Betrieb für Garten- und Landschaftsbau mit circa 65 Beschäftigten vorsteht.

Wer sich das Gelände westlich der Fellbacher Straße in diesen Tagen anschaut, kann durchaus nostalgische Gefühle entwickeln, selbst wenn er das Gebiet nicht aus seiner Jugend kennen sollte. An der Einfahrt steht hinter dem Zaun noch das Schild „Schönemann: Baumschulen, Staudenkulturen“, dazwischen sind Wohngebäude für die einstigen Besitzer und Mitarbeiter erkennbar. Über der Holztür des Hauptgebäudes steht in Stein graviert „Wilhelm Schönemann, 1938“, verziert mit Rosen, einem Baum und einem Spaten.

Auf der Rückseite des Komplexes befinden sich die zu Gerippen mutierten Gewächshäuser, der alte Backstein-Schornstein ragt in die Höhe. „Rosen“ steht auf einem Schaufenster des einstigen Verkaufsraums. Das Schild „Büro“ am Hauseck weist auf die frühere Buchhaltungs- und Organisationszentrale hin. Die alte Garagen-Werkstatt liegt verlassen da, daneben der nächste kuriose Anblick in Form einer einzelnen, braun angestrichenen Zapfsäule samt auf dem Boden liegenden Zapfhahn – hier konnten die Mitarbeiter der Gärtnerei „Diesel“ in ihre Gefährte einfüllen, wie es handgeschrieben dort steht. Ansonsten bestimmen viele hoch- und durcheinanderwachsende Kräuter das Areal der einst auf sauberen Wuchs getrimmten Baumschule.

Vor 113 Jahren hatte demnach der Gärtner Wilhelm Schönemann an der Ringstraße eine Baum- und Rosenschule gegründet

Davon wird bald nichts mehr übrig sein. Baubürgermeisterin Beatrice Soltys erklärte im Gemeinderat, dass im Anschluss an die vorbereitenden Bauverwaltungsprozeduren gegen Jahresende das Planrecht bestehe und „Anfang übernächsten Jahres der Bau beginnen könnte“.Absehbar ist diese Entwicklung freilich spätestens seit Sommer 2013. Denn vor fünf Jahren gab es eine Abschiedsparty bei Schönemann, bei der Heidi Ruff, Frau des Firmenschefs, in einem kurzen Rückblick die Firmengeschichte rekapitulierte. Der frühere Redaktionsleiter der Fellbacher Zeitung, Lothar Putschky, schrieb seinerzeit in einem Text für unsere Redaktion: „Da ein Nachfolger fehlt, hat die Baum- und Rosenschule Schönemann Ende Juni ihren Betrieb eingestellt. Eine mehr als hundertjährige Tradition ging damit zu Ende.“

Vor 113 Jahren hatte demnach der Gärtner Wilhelm Schönemann an der Ringstraße eine Baum- und Rosenschule gegründet. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Firmensitz an die Fellbacher Straße verlegt, wo er sich nach und nach auf 30 Hektar Fläche ausdehnte. „Dort wurden neben Baumschulpflanzen Estragon und Rhabarber in großem Stil angepflanzt. Der Estragon wurde an die Firma Hengstenberg als Gurkengewürz und der Rhabarber nach München auf den Großmarkt geliefert“, heißt es in dem Bericht.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine Staudenabteilung angegliedert. 1977 übernahm der Diplom-Gartenbau-Ingenieur Peter Ruff, Enkel des Firmengründers, den Betrieb, der in Glanzzeiten bis zu 50 Mitarbeiter beschäftigte, und führte ihn zusammen mit seinem Kommilitonen Michael Mareis erfolgreich weiter. „Die Baumschule Schönemann beteiligte sich häufig an nationalen und internationalen Gartenschauen, wo sie regelmäßig mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde und so maßgeblich dazu beitrug, den guten Ruf Fellbachs als Stadt der Gärtnereien und Baumschulen zu untermauern“, so das Urteil in dem Artikel.