800-mal jährlich müssen die 23 Stuttgarter Polizeipferde für Fußballspiele, Demonstrationen, oder Fahndungen im Gelände in den Einsatz. Innenminister Gall hat ein Training der Reiterstaffel besucht.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Stuttgart - Die Pferde zucken kaum merklich, als das Schauspiel beginnt. Auch wenn die Fußball-Fans noch so laut brüllen, trommeln oder ihre Fahnen schwenken – zumindest äußerlich bleiben die sechs baden-württembergischen Wallache ruhig. „Innerlich sind die Pferde schweißgebadet, aber sie dürfen sich das niemals anmerken lassen“ sagt Hans-Peter Sämann, Chef der Polizeireiterstaffel.

 

Rund 800-mal im Jahr müssen die 23 Stuttgarter Polizeipferde in den Einsatz ziehen. Häufig zu Fußballspielen, aber auch zu Demonstrationen, bei Fahndungen im Gelände oder wenn es schlichtweg darum geht, Präsenz zu zeigen, zum Beispiel bei einem Festumzug.

Polizisten simulieren grölende Fußball-Fans

Für das Training der Tiere wird die Reithalle am Polizeidienstgebäude in Ostfildern regelmäßig umfunktioniert. Mal zu einer Großdemonstration am Schlossplatz, mal zum Weg vom S-Bahnhof Richtung Neckarstadion. So auch am Montagnachmittag, als der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall die Polizeireiterstaffel besuchte. Für den Besuch zeigte die Bereitschaftspolizei gemeinsam mit der Reiterstaffel, wie das Zusammenspiel von Pferd und Polizist im Umgang mit randalierenden Fans funktioniert.

„Wir versuchen im Training, so realitätsnahe Situationen wie nur möglich zu erschaffen“, sagt Sämann. Dafür müssen die schauspielerischen Künste der Stuttgarter Polizeibeamten herhalten: Sie simulieren grölende Fans, fahnenschwingende Demonstranten oder Randalierer, die Flaschen und Steine werfen.

Beim Einsatz von Böllern kommt der Fluchtinstinkt durch

Die Verwendung von Pyrotechnik ist für die Pferde dabei mit Abstand am schlimmsten. „Speziell bei Fußballspielen sind immer mehr illegale Böller im Umlauf“, sagt Thomas Mürder, Präsident des Göppinger Polizeipräsidiums. Mit diesen würden manche Fans auch in die Nähe von Polizisten und ihren Pferden werfen. „Die Beamten kommen immer häufiger mit einem Knalltrauma wieder, wenn sie von einem Einsatz zurückkehren. Trotz ihres Hörschutzes“, sagt Mürder. Für die Pferde ist die hohe Lautstärke eine ähnlich harte Belastung.

Im Training ist das Böllerknallen auch eine der wenigen Momente, in denen die Pferde kurz ihrem Fluchtinstinkt nachgeben und zurückweichen wollen. Doch durch ein paar kräftige Patscher auf den Hals oder den Einsatz der Gerte durch den Reiter haben sich die sechs Wallache sofort wieder im Griff. Wenn ein Pferd im Training oder Einsatz nervös wird, lassen die Polizeibeamten ein erfahrenes Pferd vorangehen. „Da Pferde Herdentiere sind, folgt das ängstlichere Pferd dem mutigen dann meist“, sagt Sämann.

Nach einem harten Einsatz haben die Pferde frei

Nach solchen anstrengenden Einsätzen und Übungen werden die Tiere immer mit einem Ausritt belohnt: „Außerdem haben sie am nächsten Tag Pause und dürfen auf die Koppel oder werden longiert“, berichtet Sämann.

Alleine gehen Beamte der Polizeireiterstaffel nie zu einem Einsatz: „Es kommt auf das Miteinander an“, so Sämann. „Polizeireiter können keine Menschen festnehmen, und gleichzeitig kann kein Polizeibeamter so imposant auftreten wie ein Pferd.“

Bei der Reiterstaffel in Stuttgart sind derzeit 31 Polizeibeamte und 23 Pferde im Einsatz. Auf dem Pferd sind die Beamten ähnlich ausgestattet wie ihre Kollegen, die zu Fuß unterwegs sind. „Nur haben wir einen etwas längeren Schlagstock und tragen Schutzkleidung aus Leder“, erklärt Hans-Peter Sämann.

Wenn am kommenden Samstag der VfB Stuttgart gegen Mönchengladbach antritt, werden neben zahlreichen Polizisten auch acht Pferde der Stuttgarter Reiterstaffel am Neckarstadion im Einsatz sein. Das sind vier weniger als beispielsweise bei dem Spiel gegen den FC Bayern München, das eine Woche später stattfindet. „Erfahrungsgemäß benötigen wir bei den Bayern-Spielen die meisten Pferde und Einsatzkräfte“, sagt Sämann.