Im Bayerischen Landtag sitzt eine Frau mehr: Der Grünen-Abgeordnete Markus Ganserer hat sich als Transgender geoutet und heißt nun „Tessa“.

München - Es gibt da diese Fotos: Markus Ganserer mit Vollbart, mit Geheimratsecken, mit Anzug und Schirmmütze. Die Fotos wird es immer geben, das Internet vergisst und verzeiht ja nichts. Doch am Montag tritt auf: eine Frau mit mittelblonden Haaren, so lang, dass sie über die Schultern wallen; Ohrringe, die ab und zu durch die dichte Perücke blitzen; apricotfarben das Top unter dem schwarzen Blazer und ebenso apricot die eng anliegende Hose mit Glitzerstreifen an der Seite. Glitzer auch auf den grau-olivgrün lackierten Fingernägeln, nicht die kleinste Spur von Bart. Aus Markus ist Tessa Ganserer geworden, die erste Transfrau in einem deutschen Parlament. Oder genauer: der/die erste Abgeordnete, die auch öffentlich zeigt, was sie als ihre wahre Identität ansieht.

 

„Es ging nicht mehr anders“, sagt Tessa Ganserer, und die Stimme ist noch so tief wie vorher bei Markus. Das Versteckspiel und das Doppelleben über die Jahre hinweg, „bis ich dazu keine Kraft mehr hatte“, die „Seelenqual“, aber auch „die Angst, von anderen geoutet zu werden“. Ganserer sagt: „Ich war am Ende.“

Positive Reaktionen im Landtag

Deswegen hat er im November beschlossen, sich zuerst einer persönlich bekannten Journalistin der „Süddeutschen Zeitung“ anzuvertrauen. Es war ein Testlauf. Abgesehen von „Hohn und Spott“ in den sogenannten sozialen Netzwerken – insoweit erwartbar – klappte das ganz gut: Im Bayerischen Landtag, wo Ganserer seit 2013 für die Grünen sitzt, habe es „aus den anderen Fraktionen durchweg positive Reaktionen“ gegeben; die Leute aus seiner eigenen Fraktion, „die sind Schlange gestanden, um mich zu umarmen“. Nur AfD-Parlamentarier hätten sich gar nicht geäußert. Und diesen Montag nun wagte sich Ganserer zum ersten Mal als Frau vor die versammelten bayerischen Medien.

Knapp 42 Jahre alt ist Ganserer, gebürtig in Zwiesel im Bayerischen Wald, Studium der Forstwirtschaft, verheiratet, zwei Kinder. Vor zehn Jahren, erzählt er, habe er mal ein blaues Sommerkleid seiner Frau angezogen. Der Blick in den Spiegel sei das „Schlüsselerlebnis“ gewesen: Markus Ganserer geriet in einen Identitätskonflikt, aus dem es für ihn – wenn auch mit heftigen inneren Schwierigkeiten – nur den einen Ausweg gab: Ganserer akzeptierte es, Frau zu sein. Erst zwei Jahre später verriet er es seiner Ehefrau, weitere acht Jahre hat es nun bis zum öffentlichen Bekenntnis gedauert. „Mit Leib und Seele“, sagt die Tessa Ganserer von heute, sei sie Frau. „Froh und glücklich“ sei sie: „Aber ich habe noch einen langen, steinigen Weg vor mir.“ Und während der Pressekonferenz lächelt sie kein einziges Mal.

Juristische Probleme

Für eine Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister verlangt das Transsexuellengesetz aus den achtziger Jahren die Begutachtung durch zwei Psychologen sowie den Nachweis, dass die konkrete Person „seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben“. Das sei eine „verletzende“ Prozedur, sagt Ganserer – in anderen Ländern reiche ein Brief ans Standesamt. Wie überhaupt die deutsche Gesetzeslage „nicht mehr dem Stand der Wissenschaft“ entspreche: Die Einführung der neuen Kategorie „divers“ erfasse nur Intersexuelle, also Personen mit medizinisch uneindeutiger Geschlechtszugehörigkeit. Aber Transpersonen, bei denen die primären Geschlechtsmerkmale eindeutig sind, der Kopf aber sich im falschen Körper fühlt? „Keine Krankheit“ sei das, sagt Ganserer, insofern nicht heilbar: „Es ist auch keine Modeerscheinung; ich mache es nicht zum Spaß, ich habe es mir nicht ausgesucht.“

Mit der Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) und der Verwaltung, erzählt Ganserer habe er „ein menschlich sehr angenehmes Gespräch“ gehabt. Juristisch aber sei einstweilen nicht mehr drin. Bei amtlichen Veröffentlichungen des Landtags gibt es „Tessa Ganserer“ nur in Klammern. Der „Markus“ bleibt, auch wenn Ganserer das als diskriminierend empfindet.