Sorgen, Verständnis und Kritik: Das sind einige der Reaktionen auf den Appell, in Baden-Württemberg Strom zu sparen. Doch was hat das gebracht? Und wie geht es jetzt weiter?

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Herd, Wasch- und Spülmaschine ausschalten, den Laptop nur im Akkubetrieb nutzen. Dazu hatte der Stromnetzbetreiber TransnetBW die Menschen in Baden-Württemberg aufgerufen. Sie sollten am Sonntag zwischen 17 und 19 Uhr Strom sparen, um einen Engpass zu vermeiden. Die Ampel der von TransnetBW entwickelten App „StromGedacht“ sprang auf Rot. Die Warnfarbe löste bei manchen Verbrauchern Sorgen aus, andere fragten nach dem Sinn der Aktion.

 

Wie viel hat der Aufruf gebracht?

Wie viel Verbraucher TransnetBW – eine Tochtergesellschaft des Energieversorgers EnBW – mit dem Appell erreicht hat, ist unklar. Bisher haben rund 100 000 Menschen die App heruntergeladen. Über den Aufruf war jedoch auch in den Medien und in den sozialen Netzwerken berichtet worden. Laut dem Unternehmen lässt sich auch nicht bemessen, wie viel Strom durch den Aufruf eingespart werden konnte. „Dafür müssten sich mindestens 400 000 bis 500 000 Haushalte beteiligen“, sagt Annett Urbaczka, die die Unternehmenskommunikation leitet. Erst dann wären mit Einsparungen von ein bis zwei Megawatt zu rechnen.

Warum hat TransnetBW überhaupt ans Sparen appelliert?

In der App heißt es selbst: „Privathaushalte machen rund ein Viertel unseres Stromverbrauchs aus. Vermeintlich kleine Maßnahmen können helfen, das Stromnetz zu stabilisieren.“ Mit der App wolle man die Verbraucher auch dafür sensibilisieren, dass Strom „keine absolute Selbstverständlichkeit“ mehr sei und sich durch Verhaltensveränderungen viel Strom sparen lasse, sagt Urbaczka. „Die App ist aber keine Warnapp“, betont sie. Es drohten am Sonntag keinerlei Stromausfälle oder -abschaltungen.

Wie wurde der Stromengpass dann gemeistert?

TransnetBW hat dafür am Sonntag alle verfügbaren Kraftwerke aktiviert und auch mehr als 700 Megawatt Strom aus der Schweiz importiert, was der Leistung eines kleineren Kohlekraftwerks entspricht. TransnetBW musste in die Stromerzeugung eingreifen, weil im Norden im Laufe des Tages ein so hohes Windaufkommen erwartet worden war, dass die Übertragungskapazität in den Südwesten nicht ausreichte. Das sei wie bei „einem Stau auf der Autobahn“, heißt es. Weil Angebot und Nachfrage im Netz im Gleichgewicht sein müssen, um die Stabilität des Stromnetzes und damit die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, musste Strom zugekauft werden.

Wie haben die Verbraucher auf das Stromsparen reagiert?

Reaktionen lassen sich gut auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ablesen, wo der Hashtag #Strom zu den Top-Trends zählte – die Meinungen dort sind allerdings nicht repräsentativ. Nutzer forderten dazu auf, dass Baden-Württemberg mehr in seine Netze und Windkraft investieren müsse. Andere dagegen verlangten, man müsse den Ausstieg aus der Kernenergie rückgängig machen beziehungsweise die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängern.

Auch der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, meldete sich auf seinem privaten Account zu Wort: Der Aufruf sei eine „Chance zum Geld sparen für alle Stromnutzer. Je weniger Ausgleichsmaßnahmen (#Redispatch) eingekauft werden müssen, desto weniger steigen die #Netzentgelte. Bitte nutzen Sie die Chance“, schrieb Müller.

Ein anderer Nutzer fragte aber auch: „So, und wann werde ich dafür bezahlt, dass ich meinen Stromverbrauch netzdienlich verlege? Wann darf ich endlich stundengenaue Tarife nutzen?“

Wie reagiert TransnetBW auf die Twitter-Kommentare?

Das Unternehmen stellte am Sonntag Erklärvideos zur Verfügung, wie der Strommarkt funktioniert und wie es zu Engpässen kommen kann. „Es ist alles etwas komplexer, um jederzeit Strom aus der Steckdose zu bekommen“, schrieb die EnBW-Tochter an einen kritischen Nutzer. Wie die Verbraucher stärker von stundengenauen, so genannten dynamischen Stromtarifen profitieren könnten, sei nicht Sache von TransnetBW, sondern die der Stromversorger.

Wie häufig sind künftig Stromengpässe und Sparappelle in Baden-Württemberg?

Das lässt sich laut TransnetBW nicht zuverlässig prognostizieren. Das hänge vor allem von der Verfügbarkeit der Kraftwerke in Baden-Württemberg, der Wetterentwicklung und auch der Verfügbarkeit der französischen Kraftwerke ab, heißt es. Allerdings ist infolge des Ukrainekriegs die Lage in diesem Winter angespannter als sonst. Die erste Aufforderung zum Stromsparen, um das Netz zu stabilisieren, hatte es für den 7. Dezember vergangenen Jahres gegeben.

Kann es auch zu Stromabschaltungen kommen?

Ja – falls alle Maßnahmen, die den Übertragungsnetzbetreibern zur Verfügung stehen, nicht greifen, wie es in der TransnetBW-App heißt: „Bei einer Strommangellage, also wenn die Nachfrage höher ist als das Angebot, würde deutschlandweit vereinzelt, kontrolliert und zeitlich begrenzt der Strom abgeschaltet werden.“ Eine Abschaltung könne auch regional erfolgen. Mit diesen letzten Mitteln werde „ein unkontrollierter, flächendeckender Netzzusammenbruch verhindert“. Die Bevölkerung werde dann umgehend über die behördlichen Kanäle informiert und gewarnt.

Wie funktioniert die App?

Die App „StromGedacht“ von Transnet BW kann man unter anderem in den Online-Stores von Google und Apple herunterladen. Sie zeigt in einem Ampelmodell an, wie die Verbraucher sich bei einem möglichen Stromengpass verhalten sollten: Bei „Gelb“ sollte man den Stromverbrauch vorziehen oder verschieben. „Rot“ bedeutet, dass Verbrauch reduziert werden soll. In beiden Fällen werden die Smartphone-Nutzer mit einer Push-Nachricht informiert. Bei „Grün“ läuft alles im Normalbetrieb.