Die Verpflanzung von Augenhornhaut ist die häufigste Transplantation in der Medizin. Doch es fehlt an ausreichendem Gewebe, die Wartezeiten auf eine Operation sind lang. Um diese zu verkürzen, gründet das Klinikum der Stadt Stuttgart eine eigene Hornhautbank.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Olmütz in Mähren, es ist der 7. Dezember 1905. Der Taglöhner Alois Glogar hat einen Ätzkalkunfall erlitten und ist erblindet. Doch der aus Wien stammende Augenarzt Eduard Zirm kann ihm helfen. Im Krankenhaus von Olmütz pflanzt Zirm dem Tagelöhner die Hornhaut eines verunglückten elfjährigen Jungen ein. Weil der Arzt ohne Mikroskop die Hornhaut noch nicht annähen kann, verschnürt er sie von außen. Mit Erfolg. Die Linse trübt nicht, schon nach wenigen Stunden sieht Glogar wieder, was sich bis zu seinem Lebensende auch nicht wieder ändert. Diese Hornhautübertragung gilt als erste gelungene Transplantation der Medizingeschichte überhaupt.

 

Jedes Jahr 80 Transplantationen

Heute gehört die Operation zwar noch nicht zu den ganz alltäglichen, aber zu den häufigen Eingriffen. In der Augenklinik des Katharinenhospitals (KH) sind im vergangenen Jahr 47 Hornhauttransplantationen vorgenommen worden, Tendenz steigend. Die Zahl soll in den kommenden Jahren deutlich erhöht werden.

Das Sehen könne mit einem Hornhauttransplantat „praktisch wieder normal werden“, sagt der Ärztliche Direktor Florian Gekeler. Die Sehschärfe sei zwar „meist etwas herabgesetzt“, die Ergebnisse würden durch neue Operationstechniken aber weiter verbessert. Häufig müssten zum Ausgleich einer durch die Nähte entstehenden Hornhautverkrümmung aber Kontaktlinsen getragen werden. Etwa ein Drittel der Patienten zeigte Abstoßungsreaktionen, die jedoch in der Regel durch Augentropfen oder Tabletten behandelt werden könnten.

Allerdings fehlt es an ausreichendem Gewebe. „Die Wartezeit der Patienten auf eine Transplantation beträgt etwa ein Jahr“, sagt der 48 Jahre alte Augenarzt. Das würde Gekeler gerne ändern und mit der Wartezeit auf die Operation „auf ein bis zwei Monate runterkommen“. Deshalb ist man in der Augenklinik in der Gründung einer sogenannten Hornhautbank. 25 solcher Einrichtungen gibt es in Deutschland, viele Universitätskliniken wie die in Tübingen unterhalten eigene. In einem Haus der Maximalversorgung wie dem KH mit jährlich fast 8000 Operationen sei dies ebenfalls möglich, sagt Florian Gekeler.

Transparente Prozesse

Der vorgesehene Raum ist bereits frei gemacht, der Umbau soll bald beginnen. Die Hornhautbank soll einen Empfang, eine Schleuse und einen Reinraum mit sterilen Arbeitsmöglichkeiten haben, wo die erhaltenen Gewebe aufbereitet werden. Die Abläufe sind bei Hornhautspenden insofern günstig, weil diese noch bis zu 48 Stunden nach dem Tod entnommen werden können und in einer Nährlösung einige Wochen haltbar sind. Im Januar will man starten. Entscheidend sei, sagt Florian Gekeler, dass man sich mit der nötigen Sensibilität um die Gewinnung von Hornhäuten Verstorbener kümmert und das Gespräch mit den Angehörigen sucht.

Um das nötige Vertrauen in die Transparenz der Prozesse zu schaffen, arbeitet man im Klinikum schon seit eineinhalb Jahren mit der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) zusammen. Auch diese ist an zusätzlichen Hornhautbanken interessiert, weil dadurch das Spendenaufkommen insgesamt zunimmt.

Die Spendenbereitschaft ist hoch

„Die Regularien mit bundesweiten Vorgaben sind bei der DGFG sehr hoch“, sagt der Ärztliche Direktor der Augenklinik. Bereits heute ist eine Koordinatorin der DGFG im Klinikum aktiv und kümmert sich um Hornhautspenden. „Die Spendenbereitschaft ist sehr hoch“, sagt Gekeler. Man kommt in diesem Jahr auf etwa 100 Spender beziehungsweise 200 Hornhäute. Der 48-Jährige geht davon aus, dass die Spenden noch weiter steigen werden.

Diese kommen nicht nur und nicht direkt dem Klinikum zugute, sie werden in den Kreislauf der DGFG eingebracht, die ihre Zentrale in Hannover hat. Betreiber einer Hornhautbank und deren Patienten haben aber einen Vorteil vom Engagement des Krankenhauses, so Gekeler: „Wir haben einen Anspruch auf so viele Hornhäute, wie wir in den Kreislauf einbringen.“