Finanzielle Anreize für Mediziner sollen bei der Organübertragung ausgeschlossen werden, und künftig gilt ein Sechs-Augen-Prinzip.

Berlin - Jetzt erst recht“. Mit diesen Worten hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) die Bürger aufgerufen, sich trotz des Organspendenskandals mit dem Thema Organspende zu befassen. Nach einem Spitzentreffen mit Vertretern der Bundesärztekammer, des Spitzenverbands der Krankenkassen, der Krankenhausgesellschaft und der Bundesländer stellte Bahr mehr Kontrollen und staatliche Aufsicht bei der Transplantationsmedizin in Aussicht.

 

Bisher waren die Prüfberichte der Bundesärztekammer über die Abläufe in der Transplantationsmedizin geheim. Und dass sie ausgerechnet am Montag – also am Tag des Spitzentreffens – bekannt wurden, ist natürlich kein Zufall. Sie weisen für die Jahre 2000 bis 2011 bei knapp 51 000 Transplantationen exakt 31 Verstöße gegen die ärztlichen Richtlinien zur Organvergabe aus, was auf den ersten Blick eine eher geringe Zahl zu sein scheint. Und sowohl der Ärztekammer und Bahr als auch den Kassen dient die Zahl als Beleg für die Behauptung, die sie am Montag mit Verve vorbrachten: Die bekannt gewordenen Missstände seien auf das Fehlverhalten von „schwarzen Schafen“ und auf kriminelle Energie zurückzuführen. Ob das stimmt, weiß allerdings niemand. Denn die Berichte fußen auf Stichproben. Deshalb räumte Ärzte-Präsident Frank Ulrich Montgomery ein, dass es wohl mehr als die offiziell ausgewiesenen 31 Verstöße gegeben haben kann.

Minister Bahr will keine staatliche Aufsicht

Immerhin steht nun fest, dass die Berichte künftig Jahr für Jahr veröffentlicht werden. Für die Kontrollen bleibe die Bundesärztekammer zuständig, sagte Bahr. Er wolle keine neue „Superbehörde“. Die hat allerdings auch niemand verlangt. Vielmehr hat sich eine Debatte darüber entspannt, ob der Staat die Arbeit der Ärztekammer stärker prüfen müsse – ob er also, wie die Mainzer Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) vorschlägt, die Richtlinien der Ärztekammer zur Organspende prüfen und genehmigen soll. Diese Forderung ist keineswegs aus der Luft gegriffen und auch nicht der Ruf nach einer „Superbehörde“. Denn bei der Blutspende und bei der Gewebespende gibt es diesen Einfluss des Staates längst. Immerhin will Bahr nun prüfen, ob Berlin auch bei der Organspende eine verstärkte Rechtsaufsicht einführen soll. Das heutige System der Selbstkontrolle von Ärztekammer, Kassen, der Kliniken und der Deutschen Stiftung Organstransplantation (DSO) zu einer klassischen Selbstverwaltung mit staatlicher Aufsicht umzubauen, lehnt Bahr ab. Diesen Vorschlag hatten die Kassen ins Spiel gebracht und als geeignetes Gremium den Bundesausschuss der Ärzte und Kassen vorgeschlagen. Klar ist hingegen, dass Bund und Länder mehr Einfluss bei der DSO – sie koordiniert in Deutschland die Organspenden – bekommen, indem sie Sitz und Stimme im Stiftungsrat erhalten.

Fest steht auch, dass die Krankenhäuser jedwede Koppelung der Zahl der Transplantationen an die Vergütung der behandelnden Ärzte aufgeben. Zudem haben Bahr, Kassen, Ärztekammer und Kliniken beschlossen, dass die Landesbehörden in die Kontrollen stärker einbezogen werden sollen. Daran sollen künftig auch externe Fachleute beteiligt werden. An der Entscheidung, welcher Patient auf die Warteliste für eine lebensrettende Transplantation kommt, sind künftig drei Ärzte beteiligt. Dies soll verhindern, dass die Listen manipuliert werden. Aus Sicht der Deutschen Hospizstiftung sind die Ergebnisse des Spitzentreffens enttäuschend. Es fehle die Bereitschaft, das Transplantationsrecht grundlegend neu zu regeln. So könne das Vertrauen der Bürger in die Organspende nicht wachsen.