Köthen fürchtet nach dem Tod eines 22-Jährigen die Parallelen zu den Vorfällen in Chemnitz. Politiker mahnen deshalb zur Besonnenheit. Derweil kommen durch die Obduktion neue Details ans Licht.

Köthen - Der Spielplatz ist jetzt Ort der Trauer und des Entsetzens. Das rote Klettergerüst ist verwaist. Unter den hohen Linden wächst die Ansammlung von Blumen und Kerzen. Anwohner der anhaltischen Kreisstadt Köthen stehen auf dem Bürgersteig vor den bunt gestrichenen, zweigeschossigen Wohnhäusern. Sie haben gehört, dass am Vorabend ein 22-Jähriger brutal zu Tode gekommen ist und dass zwei Afghanen wegen des Anfangsverdachts eines Tötungsdelikts festgenommen wurden. In die Trauer mischen sich Gedanken an Chemnitz.

 

„Es ist uns wichtig, dass das Ereignis nicht instrumentalisiert wird“, betont der Köthener Pfarrer Horst Kuschner. Auch er denkt dabei an die ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Sachsens drittgrößter Stadt. Und spricht von einem Albtraum. Auch der CDU-Landrat und der SPD-Oberbürgermeister finden sich am Tatort ein. „Er war ein unschuldiger kleiner Junge“, sagt eine Frau auf dem Spielplatz, die den 22 Jahre alten Deutschen kannte. Auf einer Straße am Spielplatz sind mit gelber Kreide Umrisse eines Körpers gezeichnet.

Nach Informationen der „Mitteldeutschen Zeitung“ ist der 22-Jährige an einem Herzinfarkt gestorben. Das sei das Ergebnis der Obduktion am Sonntag, berichtete die in Halle erscheinende Zeitung am Sonntag. Der 22 Jahre alte Mann hatte demnach eine kardiologische Vorerkrankung. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. Zuvor hieß es, er habe eine Hirnblutung erlitten.

„Gewalt nicht mit Gewalt quittieren“

Kreisoberpfarrer Lothar Scholz mahnt wie auch gleich Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) zur Besonnenheit. „Ich kann nur hoffen und appellieren, dass nicht Gewalt mit Gewalt quittiert wird“, sagte Scholz. „Wir sind betroffen, was hier geschehen ist.“ Der Rechtsstaat werde alle Mittel konsequent einsetzen, Justiz und Polizei ermittelten in enger Abstimmung, sagte Stahlknecht.

In der Jakobskirche kommen am Nachmittag rund 300 Menschen zu einem Friedensgebet zusammen. Der Kirchenpräsident der Anhaltischen Landeskirche, Joachim Liebig, sagt: „Die genauen Umstände sind noch nicht deutlich. Aber schon jetzt wird deutlich, dass der Tod benutzt wird für etwas, was darüber hinaus geht.“ Der Tod eines Menschen sei der schlechteste Anlass für eine Eskalation. Es gelte nun, zusammenzustehen, sagt Liebig.

Auch ganz praktisch geschieht das nun: Laut Liebig kann die Familie die Beerdigungskosten nicht allein aufbringen. Deshalb solle gesammelt werden. „Es betrifft die gesamte Gemeinschaft, wenn jemand aus ihrer Mitte so zu Tode kommt.“ Die Sammelaktion hatte ihren Auftakt am Sonntag nach dem Gebet in der Kirche.

Gruppierungen rufen zu Protesten auf

Schon beim spontanen Gedenken auf dem Spielplatz sagt Landrat Uwe Schulze (CDU), die Bundesregierung müsse sich Gedanken machen, wie sie die Migration gestalten will. Die Aufeinanderfolge von Chemnitz und Köthen sei „für uns nicht gut“. Migranten sollten das Gastrecht, das man ihnen einräume nicht missbrauchen und sich an die hiesigen Regeln halten. „Es ist unüblich, dass wir Auseinandersetzungen auf diese Weise regeln“, sagte der Landrat.

In Köthen, das bekannt ist für sein Schloss, herrschte trotz all der Debatten zunächst sonntägliche Ruhe, es gab einen Flohmarkt und ein Volksfest. Doch immer wieder war auch die Polizei zu sehen, sie verteilte sich an verschiedenen Orten in den kleinen Straßen der Stadt. Für den Abend hatten verschiedene Gruppierungen in den Sozialen Netzwerken zu Protesten aufgerufen.