Unter riesiger Anteilnahme hat die Familie des Nutella-Erfinders ihren Erben Pietro Ferrero zu Grabe getragen. Wer soll den Konzern nun führen?

Alba - Diesen Konzern konnte eigentlich gar nichts umwerfen: krisenfeste Produkte mit Weltruf, eine solide Familie - Italiens reichste - als Eigentümer und Leitung, ein ungebrochenes Wachstum seit 60 Jahren und anstatt aller Schulden ein komfortables Geldpolster. Jetzt aber ist den Ferreros das passiert, was in der Familie als das Schlimmste gilt: der Erbe ist tot, die Zukunft in Gefahr.

 

Ihr Vermögen haben die Ferreros mit Süßigkeiten gemacht - seit Opa Pietro, der Konditor, 1946 jene streichbare Nuss-Nougat-Creme erfand, die als Nutella dann eine Weltkarriere hinlegte. Dem Gründer folgte sein Sohn Michele, der sowohl in der Erfindung als in der Vermarktung neuer Süßwaren als Genie gilt. Marken wie Mon Chéri mit der eigens für die Werbung erfundenen Piemont-Kirsche, die Kinder-Schokoladenserie, die Überraschungseier, Ferrero Rocher, die pillenartigen Tic Tac, alles geht auf Michele Ferrero zurück.

Einen Tag nach seinem Geburtstag musste er seinen Sohn begraben

Bis heute ist er der starke "Padrone", der die Familie und den Konzern zusammenhält, und es geht die Sage, am liebsten stehe er immer noch mit dem Probierlöffel in der Entwicklungsabteilung. Diesen Dienstag ist Michele Ferrero 86 Jahre alt geworden. Nur einen Tag danach musste er seinen Sohn begraben, der ihm nachfolgen sollte: Pietro Ferrero, den beim Radtraining in Südafrika ein Herzinfarkt niedergestreckt hatte. 47Jahre war er erst alt.

Der Form nach war der junge Ferrero bereits Präsident dieses Unternehmens, das eines der wenigen italienischen Weltkonzerne ist: 21.700 Beschäftigte, 39 Untergesellschaften, 18 Produktionswerke auf drei Kontinenten, davon 14 außerhalb Italiens, 6,6 Milliarden Euro der letzte Jahresumsatz, 654 Millionen Euro Nettogewinn. Wobei die Zahlen schon eine wichtige Neuheit sind, denn erst seit kurzem gibt Ferrero sie bekannt. Eiserne Verschwiegenheit gilt sonst als Kardinaltugend des Konzerns im piemontesischen Alba - und erst jetzt, als sie den toten Erben zwischen Rohstofflager und Nussrösterei aufbahrten, vor einer großen Madonnenstatue, hatten viele Stadtbewohner die Möglichkeit, einen Blick hinter die Mauern zu werfen.

Keine Arbeitslosigkeit in Alba

Alba, 310.00 Einwohner, etwas südöstlich von Turin - das ist eine arbeitsame und reiche Stadt. Berühmten Wein gibt es hier: Barolo, Barbera; berühmte Trüffeln gint's, eine Unmenge von Haselnüssen, dazu ein dichtes Geflecht an Klein- und Mittelbetrieben, praktisch keine Arbeitslosigkeit. Allein Ferrero beschäftigt 5000 "Albesi", und wegen seiner Sozialleistungen sowie seiner Unternehmenskultur ist Ferrero bei Italiens Stellensuchenden der gefragteste Arbeitgeber. Die Familie hat sich dem Motto "lavorare, creare, donare" verschrieben: arbeiten, aufbauen, schenken. Am Ende bleibt ja immer noch genug übrig.

In die Schlagzeilen drängt der Konzern nur - aber dann aggressiv -, wenn er seine eigenen Produkte verteidigt. 2007 zum Beispiel, als er (erfolglos) bis zum deutschen Bundesgerichtshof zog, um der Gummibärenkonkurrenz von Haribo den Markennamen Kinder Kram zu verbieten. Die Richter entschieden, den Ausdruck Kinder dürfe man nicht monopolisieren. Den Weltuntergang gar beschwor Ferrero 2010, als die EU beschloss, Nahrungsmittel nach ihrem Gesundheitswert zu kennzeichnen - oder zu brandmarken. Da befürchtete halb Italien, Brüssel wolle der Nutella und den Kinder-Riegeln den Garaus machen. Der Ferrero-Vizepräsident Francesco Paolo Fulci tobte: "Irgendwann müssen wir draufschreiben wie bei den Zigaretten: Achtung, Süßes gefährdet Ihre Gesundheit."

Ferrero überlegte tatsächlich, seine Isolation aufzugeben

Vielleicht hätte Ferrero demnächst noch andere Schlagzeilen gemacht: mit einer Übernahme des Milchriesen Parmalat. Rom wollte das so, um französische Konkurrenten rauszuhalten, und Ferrero überlegte tatsächlich, seine Isolation aufzugeben. Doch jetzt ist der Firmenerbe tot, und seinem jüngeren Bruder Giovanni trauen viele die Unternehmensführung nicht zu. Was also wird, wenn auch der Firmenpatriarch Michele Ferrero nicht mehr kann?

Am Mittwoch hatten Geschäfte und Behörden in Alba geschlossen. 30.000 Menschen kamen zur Beerdigung Pietro Ferreros, viel Politik, Silvio Berlusconi. Der zweite Mann im Vatikan, Tarcisio Bertone, reiste eigens für die Trauermesse an. "Ein staunenswertes Beispiel" habe Pietro Ferrero als Unternehmer gegeben, predigte der Kardinal; man solle es nachahmen. Aber wer?