Kohls Sarg ist während des fast zweistündigen Requiems im Chor direkt über der Krypta platziert, in der vier Kaiser und vier deutsche Könige bestattet sind. Es ist eine imperiale Kulisse, eine Kulisse der Superlative. Das Porträtbild des Verstorbenen überragt beinahe die Madonnenstatue am nördlichen Vierungspfeiler, die als „Patrona Spirensis“ verehrt wird. Die Stimme des Bischofs hallt durch das Gewölbe wie das Echo einer fernen Zeit. Blaues Scheinwerferlicht illuminiert die himmelwärts strebenden Säulen. Die Monumentalität des Bauwerks unterstreicht die Wirkmächtigkeit des Mannes, um den hier getrauert wird – auch wenn die Dimension seines Handelns vor dem Alter dieser Mauern zu schwinden scheint. Hier wird der Staatsmann wieder Mensch. Der Bischof nennt ihn stets „Bruder“ oder „Diener“. „Die deutsche Einheit war sicherlich nicht sein Werk allein“, sagt er in der Predigt. Kohls Verdienste werden bei aller Demut nicht verschwiegen, aber auch nicht überbetont. „Schenke ihm den Lohn für seine Mühen um unser Vaterland und für Europa“, lautet die erste der Fürbitten.

 

Ein gregorianischer Choral erklingt, als sich das Hauptportal öffnet: „In paradisum deducant te angeli“. Anstelle der besungenen Engel geleiten Soldaten in den Uniformen aller Waffengattungen den Sarg nach draußen. Während die 1500 Trauergäste ins Freie strömen, spielt das Musikkorps der Bundeswehr die Nationalhymne, viele singen spontan mit. Da ziehen sie vorbei, die Paladine aus Kohls Zeiten: Theo Waigel, Norbert Blüm, Heiner Geißler mit gebeugtem Rücken. Es ist, als würde eine ganze Generation an Politikern abtreten, verschwinden im Regen, der über dem Domplatz niedergeht. Das Prasseln der Tropfen auf den vielen Schirmen mischt sich wie ein ganz eigener Rhythmus in die Melodie des Deutschlandliedes, das dank Helmut Kohl eine neue Bedeutung erfahren hat.