Der Daimler-Konzern unterstützt in den nächsten drei Jahren die Stadt Stuttgart in der Flüchtlingsarbeit. Jeweils 100 000 Euro jährlich zahlt das Unternehmen, um Trauma-Therapien und Lernprogramme zu ermöglichen.

Stuttgart - Flüchtlingsleid und Fremdenfeindlichkeit: Derzeit flimmern immer wieder erschütternde Bilder via Fernseher in die Wohnstuben. „Was im Mittelmeer mit den Flüchtlingen passiert, macht uns sehr betroffen, auch als Unternehmen“, sagte Christine Hohmann-Dennhardt, Verantwortliche für Integrität und Recht im Daimler-Vorstand, am Montag. Deshalb habe der Autobauer beschlossen, sein Engagement „für Respekt und Toleranz“ auszubauen.

 

In den kommenden drei Jahren stellt das Unternehmen der Stadt Stuttgart jeweils 100 000 Euro zur Verfügung. Mit dem Geld soll ein „Welcome-Fonds“ für Flüchtlinge eingerichtet werden, aus dem etwa zusätzliche Trauma-Therapien, Lernprogramme, Sport- und Freizeitaktivitäten finanziert werden können. Zudem unterstützt das Unternehmen die Personalstelle für die Koordination des Fonds mit 25 000 Euro und spendet zwei Transporter für die Organisation der Flüchtlingshilfe. 100 000 Euro fließen ferner an die Bürgerstiftung in Sindelfingen, auch für Flüchtlingsprojekte.

800 Ehrenamtliche engagieren sich in Stuttgart

Bei weltweit rund 280 000 Mitarbeitern aus 150 Nationen gehörten Integration und ein multikulturelles Miteinander in der Firma zum Alltag, machten Hohmann-Dennhardt und Gesamtbetriebsrat Michael Brecht deutlich. Daimler-Mitarbeiter spendeten unter anderem seit mehr als drei Jahren in der Initiative ProCent für soziale Projekte im In- und Ausland.

Rund 3400 Flüchtlinge leben aktuell in der Landeshauptstadt. Bis zum Ende des Jahres wird ein deutlicher Anstieg auf fast 5400 erwartet. „Integration von Flüchtlingen geht nur, wenn die ganze Gesellschaft mitzieht“, machte Oberbürgermeister Fritz Kuhn deutlich. Dass dies in der Landeshauptstadt gut gelinge, liege am „Stuttgarter Weg“. Die Flüchtlinge seien dezentral in 72 Unterkünften in ganz Stuttgart untergebracht. Meist gebe es schon ein von Bürgern organisiertes Aufnahmekomitee, bevor die Flüchtlinge in der Stadt ankommen. Rund 800 Ehrenamtliche würden sich hier insgesamt engagieren.

„Paradiesische Zustände“ attestierte Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, der Flüchtlingssituation in Stuttgart. Das nahm Kuhn allerdings nicht unwidersprochen hin. „Es ist das Ergebnis harter politischer Arbeit.“ Es gebe durchaus auch hier Widerstände, doch ein breites Bündnis politischer Parteien setze den Stuttgarter Weg durch.

Daimler-Vorstand äußert Kritik an der Politik

Für Daimler hatte Kahane nicht nur Dank, sondern auch eine kleine Wunschliste. Sie hoffe, dass der Autobauer andere Unternehmen dazu motiviere, sich ebenfalls zu engagieren. Sie wünsche sich, dass die Flüchtlingsarbeit an anderen Daimler-Standorten genauso engagiert vorangebracht werde. Zudem hoffe sie, dass sie mit Unterstützung von Daimler noch länger mit Schauspieler Hardy Krüger durch die Lande ziehen könne, um sich für Toleranz und gegen Rechtsextremismus einzusetzen. Krüger betonte, wie wichtig gerade die Aufklärungsarbeit an Schulen sei. Einige Schüler wüssten nicht mehr, wer Adolf Hitler war und was er angerichtet habe. Politisches Engagement sei wichtig. „Wir sagen ihnen: Gebt die Politikverdrossenheit auf, und schaut den Politikern auf die Finger!“

Kritik an der Politik äußerte Christine Hohmann-Dennhardt. Wenn es darum gehe, Flüchtlinge zu beschäftigen, reiche die juristische Fantasie des Unternehmens zum Teil einfach nicht aus. „Die rechtlichen Hürden sind manchmal so hoch, dass es nicht geht.“ Knackpunkt sei oft die Arbeitserlaubnis. Hinzu komme, dass eine Ausbildung nur bei entsprechender Aufenthaltsdauer Sinn mache.