Kann die Europäische Union gegen die Umgehung ihrer Russland-Sanktionen vorgehen, ohne die Wirtschaftsbeziehungen zu China zu gefährden?

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

China ist für Europa kein Partner, sondern ein Konkurrent. Diese Erkenntnis gehört in der EU inzwischen zum politischen Allgemeingut. Was das aber für den konkreten Umgang mit Peking bedeutet, darüber wird immer wieder neu gestritten. Schwierig ist die Positionierung vor allem, weil die Regierungen in wichtigen EU-Ländern gegenüber China einen bisweilen gewagten Schlingerkurs fahren.

 

So warnte Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Grundsatzrede vor dem Europaparlament jüngst eindringlich davor, naiv gegenüber dem Regime zu agieren. Tags drauf aber gab die Bundesregierung ihre Zustimmung zum überaus umstrittenen Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco bei Container-Terminal im Hamburger Hafen. Aus diesem Grund stand bei einem Treffen der EU-Außenminister in Stockholm am Freitag das Thema auf der Tagesordnung. Angereist war auch Josep Borrell, Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, der mit den Außenministern die grundsätzliche Ausrichtung der EU in Sachen China diskutierte. Er betonte die bereits von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgegeben Linie, dass Europa in Schlüsselbereichen wie dem Energie- und Gesundheitssektor, aber auch in der eigenen Verteidigung Europa widerstandsfähiger werden müsse. Es sei jedoch nicht im Interesse der EU, sich von China abzukoppeln.

Wirtschaftliche Abhängigkeiten

Am Rande des Treffens warnte Außenministerin Annalena Baerbock davor, mit Blick auf die künftigen Beziehungen der EU zu China auf das „Prinzip Hoffnung“ zu setzen. Man habe gesehen, dass es trügerisch sein könne zu glauben, dass man durch wirtschaftliche Abhängigkeiten für Sicherheit sorgen könne. Es gehe nun darum, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Doch in Stockholm ging es nicht nur darum, wie die wirtschaftlichen Risiken etwa bei den Lieferketten europäischer Firmen minimiert werden können. Für Unmut sorgt in der EU Union die Positionierung des Regimes in Peking zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Trotz des Drängens der EU hat China hat die Invasion bis heute nicht verurteilt.

Inzwischen werden auch die Vorwürfe laut, dass chinesische Unternehmen die von der EU gegen Russland verhängten Sanktionen aktiv umgehen. Aus diesem Grund plant die EU-Kommission ein elftes Sanktionspaket. Darin geht es vor allem darum, Schlupflöcher stopfen und die Durchsetzung der Zwangsmaßnahmen verbessern. Konkret heißt das, dass etwa die rechtliche Möglichkeit geschaffen werden sollen, ausgewählte Exporte in bestimmte Drittstaaten wegen einer mutmaßlichen Umgehung von Sanktionen einzuschränken. Betroffen davon wäre wahrscheinlich auch China.

Bedenken sind groß

Allerdings ist dieses Vorgehen in der EU umstritten. Aus Diplomatenkreisen heißt es, manche Länder befürchten, dass China zu Gegenmaßnahmen greifen könnte, sollte das Land auf der neuen EU-Sanktionsliste auftauchen. Die Bedenken sind offensichtlich in jenen Ländern groß, die enge Handelsbeziehungen zu Peking pflegen – wie etwa Deutschland. Die Volksrepublik war 2022 zum siebten Mal in Folge der wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik – noch vor den USA. So wurden 2022 nach vorläufigen Angaben das Statistischen Bundesamts Waren im Wert von insgesamt 298,6 Milliarden Euro gehandelt.