Auf Druck der Bundesregierung, die viele Verbündete um sich gesammelt hat, soll ein bereits im Juni gefundener Kompromiss im Sinne der Autoindustrie geändert werden. Aus dem Europaparlament kommt Widerstand.

Luxemburg - Eine „Einigung“ hatten die Litauer, die derzeit im Ministerrat die Geschäfte führen, vor Sitzungsbeginn tapfer als Ziel ausgegeben. Noch bevor aber die EU-Umweltressortchefs bei ihrem Treffen am Montag in Luxemburg überhaupt den brisantesten Tagesordnungspunkt erreichten, stand die Agenda schon wieder in Frage. „Es ist sehr fraglich, ob überhaupt abgestimmt wird“, sagte der Sprecher von EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard am späten Nachmittag. Die Planänderung war dem politisch gewichtigsten Teilnehmer der Runde geschuldet: Bundesumweltminister Peter Altmaier verkündete noch vor der Sitzung, man könne möglicherweise „in den nächsten Wochen“ zu einem Ergebnis kommen. Im Klartext: Nicht jetzt! Und nicht so!

 

Die deutsche Zurückhaltung erklärte sich damit, dass die Bundesregierung einen im Juni zwischen EU-Ratspräsidentschaft und Europaparlament ausgehandelten Kompromiss zu neuen CO2-Obergrenzen für Pkw abzuändern trachtete. Schon vor den Sommerferien war eine Sperrminorität organisiert worden, um einen schnelle Verabschiedung hinauszuzögern. Nun wurde in den vergangenen Tagen und Wochen aktiv um Mitgliedstaaten geworben, die die deutsche Position durchsetzen helfen sollen – mit Erfolg. Am Montagabend kündigte der litauische Minister Valentinas Mazuronis an, den erst vier Monate alten Kompromiss aufschnüren und neu verhandeln zu wollen.

Jüngstes Beispiel dafür, mit welchem Einsatz gekämpft wird, ist eine Verabredung mit Großbritannien, die am Freitag getroffen worden sein soll. „Es gab einen deutsch-britischen Hinterzimmer-Deal“, sagte ein belgischer EU-Diplomat der StZ. Die überraschend klare Unterstützung für die Verzögerungstaktik, die der englische Umweltminister Edward Davey seinem deutschen Kollegen in der Sitzung zuteil werden ließ, stützt diese These. „Großbritannien hat geholfen“, sagte der FDP-Europaabgeordnete Holger Krahmer, „und kann dafür nun wohl Entgegenkommen bei der Bankenunion erwarten.“ Tatsächlich wollen die EU-Finanzminister am Dienstag eine Erklärung abgeben, die Londons Bedenken bezüglich der neuen Bankenaufsichtsstruktur entgegenkommt.

Altmaier setzt sich mit Forderung nach Neuverhandlung durch

Der SPD-Abgeordnete Matthias Groote, der dem Umweltausschuss des Europaparlaments vorsteht, rügte das Aufschnüren scharf: „Es ist dreist, dass die vermeintliche Klimakanzlerin Merkel eine fertige Abmachung immer wieder verschiebt.“

Im Juni war vereinbart worden, dass in Europa zugelassene Neuwagen durchschnittlich nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro gefahrenem Kilometer ausstoßen dürfen – wobei für die Flotten von Herstellern größerer Fahrzeuge höhere, für Kleinwagenhersteller geringere Werte gelten. Teil der Abmachung waren sogenannte Supercredits, mit denen sich die Autobauer Elektroautos von 2020 an mehrfach anrechnen lassen können, was de facto das Reduktionsziel abschwächt. EU-Kommissarin Hedegaard warb angesichts des „bereits ausgewogenen Kompromisses“ für eine zügige Annahme. Der italienische Minister Andrea Orlando wandte sich „gegen weitere Verzögerungen“. Der dänische Vertreter Martin Lidegaard warnte, man werde fortan als „unzuverlässig“ gelten.

Es war jedoch Bundesumweltminister Altmaier, der sich mit seiner Forderung nach einer Neuverhandlung durchsetzte. In einem deutschen Papier, das seit zwei Wochen in Brüssel kursiert, ist nachzulesen, dass 2020 nur 80 Prozent aller Autos dem Grenzwert entsprechen sollen. Erst 2024 wären dann alle Fahrzeuge der neuen Grenze unterworfen. Da Altmaier in der Sitzung damit einverstanden war, dass „auf Basis des schon erreichten Kompromisses verhandelt“ werden solle, scheint eine derartige Lösung unwahrscheinlich.

Der Widerstand im Europaparlament ist ohnehin groß: Der Heidelberger CDU-Abgeordnete Thomas Ulmer, der für das Parlament die Gespräche leitet, sagte der StZ, „aus unserer Sicht ist marginal, was sich ändern könnte“. Nun müsse der Ministerrat „schnell ein Angebot vorlegen“, dann werde im Ausschuss beraten, ob das Parlament ein Aufschnüren akzeptieren könne. „Eine zweite Lesung wird so immer wahrscheinlicher“, sagte Groote. Damit würde das Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden können.