Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ruft Politiker und Bürger zu mehr europäischer Solidarität auf. Kritik an der EU könne er nachvollziehen, sagte er in Freiburg. Sei Europa den Menschen aber gleichgültig, werde es gefährlich.

Freiburg - Knapp acht Monate vor der Europawahl hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu neuen Debatten über die Zukunft Europas und der Europäischen Union (EU) aufgerufen. Europa könne nicht allein von Politikern gestaltet werden, sagte er beim 1000. Bürgerdialog der Europäischen Kommission am Montag in Freiburg. Es brauche Engagement und Mitwirkung der Bürger. Diese seien gefordert, sich einzubringen und sich mit Europa inhaltlich auseinanderzusetzen. Nur so könne weltweit zunehmendem Populismus und Nationalismus wirksam begegnet werden. Die nächste Europawahl ist vom 23. bis 26. Mai nächsten Jahres.

 

„Europa braucht den Rückenwind der Bürger“, sagte Juncker zur 1000. Ausgabe der von ihm initiierten Veranstaltungsreihe, die es europaweit seit Januar 2015 gibt: „Wir dürfen keine müden Europäer werden.“ Er könne nachvollziehen, wenn es Skepsis gegenüber Europa und der EU sowie Kritik gebe. Gefährlich sei jedoch Gleichgültigkeit.

„Das vereinte Europa darf den Menschen nicht egal sein“, sagte Juncker: „Sonst verliert es seine Legitimation.“ Politiker seien aufgerufen, Bürger einzubinden und ihnen Europa immer wieder zu erklären und verständlich zu machen. Zudem brauche es Begeisterung. „Europa ist nicht nur Gebot des Verstandes, sondern auch eine Angelegenheit des Herzens“, sagte der Kommissionspräsident. Dies gehe in politischen Debatten immer wieder unter.

Juncker fordert mehr Solidarität

Die Nationalstaaten rief Juncker zu einer größeren europäischen Solidarität auf. Die Flüchtlingsproblematik etwa könne nur durch Europa gemeinsam gelöst werden, hierfür brauche es ein europaweites Miteinander. Auch in der Außenpolitik fehle es an Gemeinsinn: „Europa ist ein wirtschaftlicher Riese, aber ein diplomatischer Zwerg.“ Globale Herausforderungen könnten so nicht wirksam angegangen werden.

„Es ist an der Zeit, dass sich die EU erneuert. Dies kann nur gemeinsam mit den Bürgern geschehen“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der sich gemeinsam mit Juncker Fragen von Bürgern stellte. Ein von Bürgern getragenes Europa verbinde Nationen und verhindere so Rechtspopulismus. Nationale Alleingänge gefährdeten zunehmend diese Einheit.

Baden-Württemberg beteiligt sich seit vergangenem Dezember an den europäischen und parteiunabhängigen Bürgerdialogen. Das Land werde aus den Bürgergesprächen Lehren ziehen und bis Ende des Jahres ein neues Europaleitbild erstellen, sagte Kretschmann. Dies solle helfen, dass Bürger sich mit Europa wieder mehr identifizieren könnten.